Debatte um Wahlkampteam der Grünen:Nabelschau im Grünen-Land

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Die Debatte um den Spitzenkandidaten der Grünen wird der Partei schaden. Je länger die Diskussion läuft, desto stärker wird der Eindruck, bei den Grünen werde vor allem um Posten und Pfründe geschachert. Doch Grünen-Wähler nehmen solch ein Verhalten nachhaltig übel.

Christoph Hickmann

Das Konzept der Troika ist derzeit in deutschen Parteien recht beliebt. Zuerst hielten es die Sozialdemokraten für eine annähernd grandiose Idee, mit Gabriel-Steinmeier-Steinbrück den Umstand zu kaschieren, dass sie keinen geeigneten Kanzlerkandidaten haben. Inzwischen dämmert ihnen, dass sie noch immer keinen haben, dafür drei, die gern Kandidat wären, der Wählerschaft aber suspekt (Gabriel) oder gleichgültig (Steinmeier) sind, oder denen die eigene Partei suspekt sowie gleichgültig ist (Steinbrück).

Es geht bei der Debatte um nichts als Proporz. Das ist Ausdruck einer Binnenfixierung, die selbsternannte Realpolitiker sonst so gern an anderen kritisieren. (Foto: dpa)

Bei den Grünen hat jetzt Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt für ein Wahlkampf-Spitzenteam vorgeschlagen. Sein Kalkül: Parteichefin Claudia Roth hat bislang als einzige Aspirantin ihren Anspruch angemeldet, Fraktionschef Jürgen Trittin gilt als gesetzt. Beide gehören zum linken Flügel, weshalb die Parteirechten um Palmer unbedingt ein Gegengewicht unterbringen wollen. Damit hätten auch die Grünen ihre Troika - mit dem Unterschied, dass nicht unterwegs noch zwei auf der Strecke bleiben müssten.

Palmers Vorschlag ist die neueste Windung einer Debatte, die sich die Grünen seit Monaten leisten und die mittlerweile in keinem Verhältnis mehr zum möglichen Ertrag steht. Es ist zwar nicht ganz und gar egal, wessen Köpfe die Grünen am Ende auf ihre Plakate drucken. Aber fast. Es ist jedenfalls egal, ob sie mit einer Troika, einer Quadriga oder einer Fußballmannschaft samt Ersatzbank antreten.

Platz im Spitzenteam kann allenfalls als Eintrittskarte ins Kabinett gelten

Als ihre Umfragewerte im vergangenen Jahr Züge einer demoskopischen Blase annahmen, wurde noch über den ersten grünen Kanzler fabuliert. Das ist vorbei, deshalb ist die Frage der Spitzenkandidatur nicht annähernd so wichtig wie bei Union oder SPD. Ein Platz im sogenannten Spitzenteam kann allenfalls als Eintrittskarte in ein mögliches Kabinett gelten. Aber auch davon sind die Grünen momentan ziemlich weit entfernt.

Hinzu kommt, dass der Grünen-Wähler die für manchen Politiker und Medienschaffenden irritierende Neigung besitzt, sich für Inhalte zu interessieren - jedenfalls eher als für die Frage, welches Mitglied des Grünen-Spitzenteams am Ende in welchem Ministerium sitzen könnte. Der bislang Einzige, der erfolgreich einen konsequent personalisierten Wahlkampf führen konnte, war Joschka Fischer.

Inhaltlich aber unterscheiden sich die derzeit in Rede stehenden Kandidaten-Kandidaten allenfalls in Nuancen, die programmatischen Fragen sind mehr als ein Jahr vor der Wahl weitgehend geklärt. Das gilt auch für die Frage, welche Koalition die Aspiranten proklamieren würden: Rot-Grün, Rot-Grün, Rot-Grün, das war es. Deshalb ist das Argument von Palmer und anderen, das Team müsse die "Breite der Partei" repräsentieren, schlicht Mumpitz.

Grünen-Wähler nehmen Dinge nachhaltig übel

Es geht dabei um nichts als Proporz. Das ist Ausdruck einer Binnenfixierung, die selbsternannte Realpolitiker sonst so gern an anderen kritisieren. Aber welchen Wähler außerhalb der eigenen Mitgliedschaft sollte es interessieren, ob die Grünen mit ihrem Abzählschema Frau-Mann-rechts-links am Ende eine Lösung hinbekommen, gegen die auch der letzte Kreisfunktionär nichts haben kann?

Stattdessen wird die Debatte der Partei schaden. Je länger die Diskussion läuft, desto fester setzt sich der Eindruck, bei den Grünen werde vor allem um Posten und Pfründe geschachert. Wer konservativ wählt, verzeiht so etwas schnell, auch Anhänger der Sozialdemokraten sind seit Wehner, Schmidt und Brandt einiges gewohnt. Grünen-Wähler hingegen nehmen es nachhaltig übel, wenn das Personal sich um die Plätze balgt und Inhalte nicht mehr ganz so wichtig sind. Da könnten sie ja gleich die SPD wählen. Geht es so weiter, werden sich das die ersten überlegen.

© SZ vom 14.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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