Debatte um Aufklärungsdrohnen:Noch ein "Hawk", noch ein Problem

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Flop mit der Drohne: Der "Euro Hawk" auf der Landebahn in Jagel (Foto: dpa)

Kommt nach dem Stopp des "Euro Hawk" nun die nächste kostspielige Notlandung? Verteidigungsminister de Maizière lässt ein Nato-Überwachungsprogramm prüfen, bei der die Drohne "Global Hawk" eingesetzt werden soll. Es könnte ebenfalls eine Fehlinvestition sein.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Für den 5. Juni hat der Verteidigungsminister eine umfassende chronologische Aufarbeitung des Debakels um die Aufklärungsdrohne Euro Hawk angekündigt. Nun, am frühen Mittwochnachmittag in Celle, sagte Thomas de Maizière: Er habe angewiesen, auch "Fragen zu anderen Projekten" aufzuarbeiten.

Eigentlich war er dorthin gekommen, um an einer sicherheitspolitischen Konferenz namens "Celler Trialog" teilzunehmen, doch angesichts der vielen Fragen, die sich täglich ergeben, stellte er sich kurz zuvor der dort wartenden Presse - und machte sogleich klar, was er mit "anderen Projekten" meinte: AGS ("Alliance Ground Surveillance"), ein Überwachungs- und Aufklärungsprogramm der Nato.

"Wir prüfen, welche Auswirkungen unser Ausstieg aus dem Euro -Hawk-Projekt auf dieses Nato-Projekt hat", sagte de Maizière. Damit machte er klar: Nicht nur Oppositionspolitiker vermuten, dass es hier eine weitere Fehlinvestition geben könnte. Auch im Ministerium wird die Möglichkeit einer Ausweitung des Debakels zumindest für möglich gehalten - zumal zeitgleich in Berlin ein Sprecher des Ministeriums bestätigte, dass für das Programm bereits Geld geflossen sei. Eine Summe wollte er auf Nachfrage allerdings nicht nennen.

Das Problem bei AGS ist, dass dafür die Drohne Global Hawk eingesetzt werden soll, auf welcher der Euro Hawk basiert (der nicht für die Bildaufklärung, sondern die elektromagnetische Aufklärung gedacht ist und dafür umgerüstet wurde). Der Global Hawk könnte mithin vor den gleichen Zulassungsproblemen stehen, an denen der Euro Hawk gescheitert ist.

Falls das so sein sollte, könnte der Minister persönlich ein Problem bekommen: Noch im Mai 2012 warb er vor den Abgeordneten des Verteidigungsausschusses für das Projekt. Dem vertraulichen Protokoll dieser Sitzung zufolge wurde die Beratung über das Thema AGS eigens nach hinten verschoben, damit de Maizière teilnehmen konnte; seine Ankunft nach der Sitzung des Bundeskabinetts wurde den Parlamentariern zu Beginn angekündigt.

Als er in Raum 2.700 des Paul-Löbe-Hauses eingetroffen war, berichtete er laut Kurzprotokoll zunächst über andere Projekte, bevor er ausführlich auf AGS zu sprechen kam: Das Projekt sei für Deutschland "sehr wichtig", so wird er im Protokoll, gehalten in indirekter Rede, zitiert. Man bekomme "nicht nur die gemeinsamen Ergebnisse", sondern könne "die Rohdaten der Aufklärungsergebnisse auch für nationale Zwecke nutzen".

Das bedeute, so der Minister: Man werde "sehr stark davon profitieren". Er sei "dankbar dafür", dass der Ausschuss die entsprechende Vorlage des Finanzministeriums beschlossen habe, die am Nachmittag auch auf der Tagesordnung des Haushaltsausschusses stehe. Und der finanzielle Umfang des Projekts hatte es in sich: Statt, wie ursprünglich anvisiert, bei 400 Millionen Euro, sollte der deutsche Anteil an dem Projekt bei mehr als 480 Millionen Euro liegen.

Die Abgeordneten waren zufrieden, sie lobten das Projekt, und am Ende kam auch Volker Wieker noch zu Wort, der Generalinspekteur der Bundeswehr: Der Global Hawk sei "grundsätzlich für alles geeignet, was sich am Boden, auf See, im Gebirge" bewege, könne also "natürlich auch in der Seefernaufklärung und zur Antipiraterie eingesetzt werden".

Die entscheidende Frage lautet, ob de Maizière sich hier für eine Investition eingesetzt hat, obwohl er bereits ahnte, dass sie zur Fehlinvestition werden könnte. Die Zulassungsproblematik beim Euro Hawk war den Verantwortlichen im Ministerium spätestens seit 2011 bewusst - also lange vor der Sitzung am 23. Mai 2012. Was hieß das für die Global Hawks? Hatte man darüber schon nachgedacht, als es um diese weitere Millionenausgabe ging?

Die Organisation Eurocontrol jedenfalls, deren Aufgabe die Koordination der Luftverkehrskontrolle in Europa ist, machte schon Ende 2010 keinen großen Unterschied mehr zwischen Euro Hawk und Global Hawk. Damals gab Eurocontrol Richtlinien zum Global Hawk im europäischen Luftraum heraus, in denen der Euro Hawk jeweils mitbehandelt wurde. Darin heißt es: Weil beiden Drohnen spezielle Fähigkeiten fehlten, einschließlich eines Ausweichautomatismus, der auch ohne Steuerung durch einen Piloten funktioniert ( "sense and avoid"), müsse man sie in einem Luftraum fliegen lassen, in dem sie auf keine anderen Objekte treffen könnten.

Eigentlich kein großes Problem - Drohnen können viel höher fliegen als Flugzeuge. Aber irgendwann müssen sie auch mal aufsteigen. Und wieder herunterkommen.

© SZ vom 23.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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