Davos: Debatte um Gaza endet im Eklat:"Ihr wisst sehr gut, wie man tötet!"

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Der türkische Ministerpräsident Erdogan stürmt in Davos vom Podium, weil er seine Antwort auf Israels Präsidenten nicht vollenden darf. Peres hatte zuvor ein flammendes Plädoyer für den Krieg Israels gehalten.

Kai Strittmatter, Istanbul.

Eine hochkarätig besetzte Debatte über den Krieg in Gaza beim Weltwirtschaftsforum in Davos ist am Donnerstagabend mit einem Eklat geendet. Mit den Worten "Für mich ist Davos vorüber, ich komme nie wieder hierher zurück", stürmte der türkische Premier Tayyip Erdogan vom Podium, auf dem er unter anderem den israelischen Präsidenten Schimon Peres und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zurückließ.

Sorgte für einen Eklat in Davos: Der türkische Premier Tayyip Erdogan. (Foto: Foto: AP)

Zuvor hatte Erdogan sich beschwert über den Moderator, der ihm seiner Meinung nach nicht genug Redezeit gegeben hatte - vor allem für eine Entgegnung auf Israels Präsidenten Schimon Peres, mit dem Erdogan heftig aneinandergeraten war. Unter anderem sagte Erdogan zu Peres: "Ihr wisst sehr gut, wie man tötet!" An den Teil des Publikums gerichtet, der dem Vortrag von Peres applaudiert hatte, sagte Erdogan: "Dem Mord an Kindern zu applaudieren ist ein Vergehen gegen die Menschlichkeit!"

Bei einer Pressekonferenz kurz nach dem Eklat versuchte der noch immer sichtlich verärgerte Erdogan die Wogen zu glätten: Er verurteile Antisemitismus jeder Art, betonte er, beklagte sich jedoch einmal mehr über den Moderator, David Ignatius von der Washington Post, der Schimon Peres 25 Minuten Redezeit, Tayyip Erdogan jedoch nur zwölf Minuten eingeräumt hatte.

Peres hatte in einer sehr emotionalen Rede Israels Offensive verteidigt und allein die Hamas für das Blutvergießen verantwortlich gemacht. Mehrmals hatte er sich dabei mit lauter Stimme an den neben ihm sitzenden Erdogan gewandt, der immer erregter wurde. "Dass Sie Ihre Stimme erheben", sagte Erdogan schließlich, "zeigt, dass Sie sich schuldig fühlen." Er erinnerte Peres an das fünfte Gebot: "Du sollst nicht töten!" Als der Moderator ihm das Wort entziehen wollte, stand Erdogan auf und verließ verärgert die Bühne.

Die Türkei ist seit Jahren ein Alliierter Israels, der beste Freund des Landes in der muslimischen Welt. Die Armeen beider Länder kooperieren eng. In den vergangenen beiden Jahren hatte die Türkei mehrmals versucht, zwischen Israel und seinen Feinden zu vermitteln. Nach Beginn der Gaza-Offensive jedoch wurde der Premier Erdogan einer der schärfsten Kritiker Israels, er nannte die Militäroperation eine "Barbarei".

Türkische Beobachter waren sich jedoch bis zuletzt sicher, dass Erdogan nie den Bruch mit Israel riskieren werde: Zu sehr brauchen die beiden Länder einander. Die Debatte in Davos war das erste Zusammentreffen der beiden Politiker seit dem Krieg - und war von israelischer Seite eigentlich als Annäherung gedacht. Erdogan habe zu viel arabisches Fernsehen gesehen, sagte Peres im Vorfeld: "Ich werde ihm unsere Seite erklären, und wir werden unsere Beziehung reparieren."

Der Plan ging schief. Bei der Pressekonferenz sagte der für seine Zornesausbrüche bekannte Erdogan: "Ich bin zwar eine milde Natur, aber ich bin kein Schaf." Später meldete der türkische Sender NTV, Peres habe Erdogan angerufen und sich bei ihm entschuldigt. Eine Bestätigung dafür gab es nicht.

© SZ vom 30.01.2009/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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