CSU-Strategie:Maibaum in Brüssel

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Ist in Seeon dabei: Manfred Weber, EVP-Spitzenkandidat. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Im Jahr der Europawahl will Bayern nicht mehr gegen Brüssel poltern, auch weil Manfred Weber Chef der Kommission werden könnte.

Von Lisa Schnell

Zu Beginn des neuen Jahres 2019, in dem sich ein CSU-Mann für das wichtigste Amt in der Europäischen Union bewirbt, lohnt es sich zurückzublicken auf die Reise eines anderen CSU-Manns nach Brüssel. Es ist der 3. Mai 2018, Markus Söder, bayerischer Ministerpräsident und bald CSU-Chef, stattet der EU einen Besuch ab. Er führt ein paar sicher wichtige Gespräche, hängen bleiben von seiner Reise aber soll vor allem eines: Söder beehrt Brüssel mit einem echten bayerischen Maibaum. Aus Bayern importierte Burschen in Lederhosen stellen ihn auf. Es gibt Obazdn und Brezn, Blasmusik und Grillhendl. Als krönenden Abschluss bietet Söder der EU eine folkloristische Darbietung von Goaßlschnoizern aus dem Landkreis Ebersberg.

Söder posierte in Brüssel mit Trachtlern, Manfred Weber gibt dort seit Jahren Pressekonferenzen auf Englisch. Weber und Söder sind derzeit wohl die beiden wichtigsten Männer in der CSU, der eine Ministerpräsident in Bayern und bald CSU-Chef, der andere EVP-Spitzenkandidat bei der Europawahl und Anwärter auf das Amt des EU-Kommissionspräsidenten. Von ihrer Zusammenarbeit hängt es ab, ob die CSU 2019 zur Abwechslung mal wieder einen Wahlerfolg feiern kann. Ausgerechnet eine Europawahl, mit der für die CSU 2014 die Serie an Wahlniederlagen begann, soll sie nun stoppen. Und ausgerechnet Söder und Weber müssen sich in Harmonie üben. Eine größere Bandbreite gibt es in der CSU kaum als zwischen diesen beiden Männern - sie reicht vom Bierzelt in Bayern bis nach Brüssel.

Söder hat aus seiner Liebe zum Bierzelt nie ein Geheimnis gemacht. "Ich bin der Markus und do bin i dahoam", sagte er über sich und Bayern. Berlin oder Brüssel waren ihm immer zu fern. Selbst das Amt des Parteichefs lehnte er mit dieser Begründung zuerst ab. In seiner ersten Regierungserklärung erwähnte er Europa nicht, dann ging er eine Koalition mit den Freien Wählern ein, einer Partei, die nur in Bayern Erfolg hat und für die Berlin kaum mehr zu diesem Sonnensystem gehört. "Die sind wirklich provinziell", sagt ein CSU-Mitglied. Söder müsse aufpassen, dass die CSU nicht zu einer Regionalpartei verkomme, warnte der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Dass er den CSU-Weihnachtsfrieden störte, verzeiht ihm die CSU nicht, mit seiner Sorge aber ist er nicht ganz allein.

Lange schüttelten viele in der Partei über Manfred Webers Drang nach Brüssel den Kopf

Wobei die CSU nicht zu einer Regionalpartei verkommen kann. Sie ist eine Regionalpartei. Ihr Anspruch aber war immer ein anderer. Die CSU vertritt die Interessen Bayerns, aber das in der ganzen Welt. So lebte es CSU-Urvater Franz Josef Strauß vor, der einst sagte: "Bayern ist unsere Heimat, Deutschland unser Vaterland, Europa unsere Zukunft." Es ist ein Zitat, das jetzt wieder oft zu hören ist in der CSU. Nicht wenige sehnen sich nach dem Blick über den Weißwurst-Tellerrand, nach mehr Europa und weniger Provinz, kurz: nach Manfred Weber.

Lange schüttelten viele den Kopf über den Niederbayern, der sein Landtagsmandat im schönen Bayern aufgab - und das für Brüssel! Jetzt soll er der Partei wieder mehr Weltläufigkeit geben und einen Wahlerfolg. An dem ist auch Söder interessiert, der das Wahlergebnis als künftiger Parteichef mitverantworten muss. Im Juni 2018 sprach er noch vom "Ende des geordneten Multilateralismus", jetzt sagte er in seiner Neujahrsansprache: "Europa ist die Hoffnung für die Zukunft." Es müsse gegen Nationalisten verteidigt werden. Er folgt damit Weber, der immer für Europa und gegen die AfD eintrat. Ob Programm oder Wahlkampf, Söder will ihm freie Hand lassen. Noch-CSU-Chef Horst Seehofer forderte Weber sogar auf, zu sagen, "was wir die nächsten Monate denken sollen".

Es gab Zeiten, da dachten sie in der CSU von Europa nicht immer das Beste. 2014 stellte Seehofer dem Europafreund Weber noch EU-Skeptiker Peter Gauweiler an die Seite. Wer dafür ist und dagegen gleichzeitig, der decke alle Wählerstimmen ab, so die Überlegung. Am Ende stürzte die CSU um acht Prozentpunkte auf 40,5 Prozent ab. "2014 wird sich nicht wiederholen", prophezeit nun ein CSU-Vorstandsmitglied.

Von Söder werde man kein europakritisches Wort mehr hören, heißt es in der CSU

Auch Landesgruppenchef Alexander Dobrindt scheint sich gen Europa zu neigen. Er hat Manfred Weber zur Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten geladen, die diesen Donnerstag in Kloster Seeon beginnt. Ein europafreundliches Papier soll verabschiedet werden, ebenso freundlich liest sich die Gästeliste. 2018 empfing Dobrindt noch den umstrittenen ungarischen Regierungschef Viktor Orbán, der in Brüssel mit "Hello dictator" begrüßt wurde, und gab dem britischen Wirtschaftsminister und seiner Sicht auf den Brexit eine Bühne. Dieses Jahr kann der irische Premierminister Leo Varadkar davon berichten, wie Irland unter dem EU-Austritt Großbritanniens leidet. Auch Kyriakos Mitsotakis, Vorsitzender der Nea Dimokratia, kommt. Als seine Partei in Griechenland den Ministerpräsidenten stellte, forderten Dobrindt und Söder den Austritt Griechenlands aus der EU.

Von Söder werde man kein europakritisches Wort mehr hören, heißt es in der CSU. Bei Dobrindt sind sich einige nicht so sicher. Brüssel soll nicht sein liebstes Reiseziel sein, selbst wenn dort ein bayerischer Maibaum steht.

© SZ vom 02.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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