CSU:Söder, der Herausforderer

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Ein Rocker: Markus Söder in Nürnberg. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Von Wolfgang Wittl

Es gibt Parteifreunde, die werfen Markus Söder Feigheit vor, weil er nur auf Nummer sicher gehe. In diesem Fall aber wählte der bayerische Finanzminister das volle Risiko. Es war Januar 2017, Söder feierte mit der Landtagsfraktion seinen 50. Geburtstag, und trotz aller Warnungen ließ er den gefürchtetsten Laudator sprechen, den die CSU kennt: Parteichef Horst Seehofer. Wie immer habe seine Staatskanzlei eine Rede vorbereitet, erklärte der Ministerpräsident feierlich. Die aber sei "so humorvoll und hintersinnig, dass ich sie nicht verwende". Lieber dankte Seehofer Söders Frau: "Ich bilde mir ein, dass ich den Markus besonders gut kenne, und deshalb haben Sie heute eine besondere Anerkennung verdient." Selbst in der an Hinterfotzigkeiten reichen CSU-Geschichte war dies ein Moment, der in Erinnerung bleibt.

Seehofer gegen Söder, Söder gegen Seehofer: Das Duell hält die Partei seit Jahren in Atem. Nach der für die CSU missratenen Bundestagswahl steuerte es im Spätherbst auf die finale Entscheidung zu - mit Chancen wie nie für den Herausforderer aus Franken. Seine Anhänger halten ihn für den Einzigen, der die AfD zurückdrängen und die Parteibasis neu motivieren kann. Nur Söder bringe nach mehr als zehn Prozentpunkten Verlust die Glaubwürdigkeit zurück, mit der die CSU ihre absolute Mehrheit in Bayern zu verteidigen vermöge. Seine Gegner sehen in ihm einen Scharfmacher. Sie werfen ihm vor, er schrecke gemäßigte Wähler ab und spalte das Land. Eine Alleinregierung mit Söder? Unvorstellbar!

In Seehofers Choreografie war die Hauptrolle für Söder nie vorgesehen. Die Abneigung der beiden übertrifft alles, was es in der diesbezüglich wenig zimperlichen CSU jemals gegeben hat. Woher sie rührt, darüber gibt es nur Spekulationen, die tief ins Persönliche führen. Söder soll an unschönen privaten Gerüchten über Seehofer beteiligt gewesen sein, etwa, als bekannt wurde, dass Seehofer ein uneheliches Kind hat. Bestätigt ist eine Söder-Intrige nicht. Seehofer hat trotzdem zum Ausdruck gebracht, was er von Söders Charakter hält: nichts. Dabei sind sich die beiden in ihrem Machtinstinkt ähnlicher, als sie zugeben wollen.

Im Frühjahr schien Seehofer sein Ziel erreicht zu haben: Vom Rat der CSU-Weisen, bestehend aus Vorgängern wie Edmund Stoiber, Theo Waigel und Erwin Huber, ließ er sich bestätigen, nur er könne die Partei geschlossen in die Landtagswahl 2018 führen. Söder schrumpfte da kurz zur Randfigur im bayerischen Weltentheater. Er versicherte Seehofer so betont demütig seiner "ehrlichen Unterstützung", dass sich die Frage aufdrängte, ob auch eine unehrliche existiert. Im Sommer sagte Seehofer zu Söder: "Ich weiß, was du kannst - und ich weiß, was du willst."

Söder will nur eines: Ministerpräsident werden. Anfang Dezember hat er sein Ziel endlich erreicht. Nach zermürbenden internen Attacken schlägt Seehofer seinen Widersacher Söder als Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2018 vor. Sein Amt als Ministerpräsident will Seehofer vorzeitig im ersten Quartal 2018 räumen, er selbst möchte Parteichef bleiben und die CSU im Bund vertreten. Auch Innenminister Joachim Herrmann verzichtet auf eine Kandidatur gegen Söder, er erspart der Partei somit eine Zerreißprobe. Die Landtagsfraktion kürt Söder einstimmig zu ihrem starken Mann. Und doch zeigt die Abstimmung, wie gespalten die Partei ist. Sie findet nicht mehr geheim statt, wie zunächst geplant, sondern offen. Die CSU vermeidet damit, dass ihr Spitzenkandidat gleich zu Beginn beschädigt wird. Zu groß ist die Sorge, der Polarisierer Söder werde durch Gegenstimmen abgestraft.

Der Parteitag in Nürnberg gerät zur christsozialen Einigkeitsshow, die beiden Erzrivalen zelebrieren auf großer Bühne ihre Mutation zur neuen Doppelspitze: Söder wird zum Spitzenkandidaten gekürt, Seehofer mit soliden 83,7 Prozent als Parteichef bestätigt. In der CSU kehrt tatsächlich eine Art Weihnachtsfriede ein. Wie lange er hält, hängt allein vom Ergebnis der Landtagswahl 2018 ab.

© SZ vom 27.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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