Cryptoleaks-Affäre:"Nachrichtendienst im Nachrichtendienst"

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Kaspar Villiger (hier auf einem Bild von 2012, als Vorsitzender der Bank UBS) will in seiner Zeit als Verteidigungsminister von 1989 bis 1995 nichts von den fraglichen Geheimdienstaktivitäten mitbekommen haben. (Foto: FABRICE COFFRINI/AFP)

Eine Untersuchungskommission des Schweizer Parlaments stellt fest: In einem Skandal um CIA und BND der vergangenen Jahrzehnte war der eigene Geheimdienst erst Mitwisser, dann Nutznießer.

Von Isabel Pfaff, Bern

Eine Geheimdienstaffäre von globaler Tragweite - und mittendrin eine Firma aus dem beschaulichen Kanton Zug: Die Enthüllungen vom vergangenen Februar über die Crypto AG und ihre manipulierte Verschlüsselungstechnik schlugen international ein. Eine Schweizer Tarnfirma, eigentlich im Besitz der US-amerikanischen CIA und des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND), verkaufte demnach über Jahrzehnte manipulierte Chiffriergeräte ins Ausland - vermeintlich vertrauenswürdige Technik made in Switzerland. Dabei waren die Verschlüsselungen bewusst so schwach, dass die USA und die Bundesrepublik sie decodieren und damit andere Staaten aushorchen konnten.

Für die Schweiz barg die Affäre besonderen Sprengstoff: Was wusste man, als neutraler Staat, über die Operationen der westlichen Geheimdienste auf eidgenössischem Boden? Und inwiefern haben Schweizer Nachrichtendienste selbst mitgemacht und profitiert? Jetzt hat die Geschäftsprüfungsdelegation des Schweizer Parlaments, die im Frühjahr damit betraut wurde, die Affäre aufzuarbeiten, ihren Bericht vorgelegt.

Der Schweizer Geheimdienst war erst Mitwisser, dann Nutznießer

Demnach wusste der Schweizer Nachrichtendienst ab dem Jahr 1993 über die wahren Eigentümer der Crypto AG Bescheid. In einer späteren Phase könne man sogar von einer nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit ausgehen, schreiben die Mitglieder der Delegation in ihrem am Dienstag veröffentlichten Bericht. Im Klartext: Der Schweizer Geheimdienst war zunächst Mitwisser, dann Nutznießer der Spionage-Operation. Eine solche Kooperation, so die Delegation, sei "rechtlich zulässig". Früher sei sie vom Militärgesetz gedeckt gewesen, heute vom Nachrichtendienstgesetz.

Die Schweizer Regierung, der Bundesrat, wird von dem Bericht explizit entlastet: Die politische Führung des Landes sei tatsächlich erst Ende 2019 über die ab 1970 laufende Cryptoleaks-Operation informiert worden. Alfred Heer, der Präsident der Delegation, sprach bei der Präsentation des Berichts von einem "Nachrichtendienst im Nachrichtendienst".

Der Bericht kritisiert "Mangel in der Führung und in der Aufsicht" der Geheimdienste

Damit widersprechen die Parlamentarier den geleakten CIA-Dokumenten, laut denen zumindest der ehemalige Verteidigungsminister Kaspar Villiger von den wahren Eigentümern der Crypto AG gewusst habe. Mit der Entlastung des Bundesrats ist wohl auch das Problem einer möglichen Neutralitätsverletzung vom Tisch - obwohl einige Schweizer Beobachter und Medien diese Feststellung öffentlich anzweifeln. Die Delegation kritisiert allerdings die Regierung durchaus für den "Mangel in der Führung und in der Aufsicht" der Geheimdienste. Eine Operation von dieser Tragweite hätte nicht vor den politisch Verantwortlichen verborgen bleiben dürfen.

Wenn es nach den Sozialdemokraten und den Grünen geht, markiert der nun präsentierte Bericht erst den Anfang der Cryptoleaks-Aufarbeitung. Beide Parteien sehen noch so viel Aufklärungsbedarf, dass sie eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) fordern, das mächtigste Kontrollinstrument des Schweizer Parlaments. Es wäre erst die fünfte in der Geschichte des Landes.

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