Corona:Zulassen, was geht

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Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Grünen-Fraktionschefin läutet eine Kurskorrektur ihrer Partei beim Umgang mit der Pandemie ein

Von Constanze von Bullion, Berlin

In der Corona-Pandemie bezeichnen die Grünen sich gern als "Team Vorsicht". Lieber persönlichen Verzicht üben als andere zu gefährden, lieber strengere als zu laxe Regeln - so in etwa sieht die Reiseroute der Partei aus. Nach sieben Monaten mit Covid-19 aber beginnen die Grünen zu spüren, welchen Preis die Einschränkungen haben, auch für die grüne Klientel. Zahlreiche Kulturschaffende fürchten um ihre Existenz, in der Gastronomieszene macht sich Resignation breit, und in Familien herrscht Ratlosigkeit über die bevorstehende Weihnachtszeit. Als erste läutet Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt nun eine Kurskorrektur ein, wenn auch leise.

"Wir müssen schützen, schützen, schützen. Aber wir können nicht nochmal einfach alles lahmlegen", sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der Süddeutschen Zeitung. "Es ist nötig, dass wir ermöglichen, was verantwortungsbewusst geht." Deutschland brauche angesichts steigender Infektionszahlen keine flächendeckenden Lockdowns, die ohnehin früher oder später von Gerichten aufgehoben würden und für Verunsicherung sorgten. Nötig seien maßgeschneiderte Konzepte für Restaurants, Kneipen und Kultureinrichtungen mit klaren Regeln, wie viele Menschen pro Quadratmeter zugelassen seien. Arbeit und Schule gehörten im Zweifel priorisiert. "Und wir müssen klären, wie viel Unterstützung nötig ist, damit ein Betrieb überlebt."

Bislang wenig beachtete Risiken sieht die bekennende Protestantin Göring-Eckardt aber auch in der bevorstehende Adventszeit. "Es greift jetzt eine Düsternis um sich, die gefährlich ist", sagte sie. Den Menschen stehe der Winter bevor, ohne dass ein Impfstoff in Sicht sei. Nicht nur Ältere gerieten in die Isolation. "Viele haben sehr viel Angst. Und diese Seelenlage muss in politischen Abwägungen stärker berücksichtigt werden." Zulassen, was irgendwie geht ohne erhöhtes Risikos, heißt nun der neue grüne Kurs. Anders als noch im Frühjahr wisse man heute, wie Alte und Verletzliche zu schützen seien. "Der Besuch im Pflegeheim gehört für mich dazu, ein Konzert, ein Theater oder auch der Gottesdienst", sagte Göring-Eckardt.

Nun ist es kein Geheimnis, dass das Singen in der Kirche zu den gefährlichsten Tätigkeiten in der Pandemie zählt. In der Kirche sei es nicht möglich, auch nicht an Weihnachten, meint Göring- Eckardt. Aber was geht ist: vor der Kirche mit Abstand singen. "O du Fröhliche mit Maske ist nicht so schön. Aber es ist auch gesungen." Dass Weihnachtsgottesdienste ausfallen, sei schon aus Gründen der Religionsfreiheit nicht hinzunehmen. "Die Kirchen werden darauf bestehen. Ich finde: zu recht." Allerdings sei der Beitrag der Kirchen in der Pandemie noch steigerungsfähig.

"Kirchen haben große Räume mit hohen Decken. Ich erwarte, dass sie anbieten, welche Räume sie zur Verfügung stellen können." Zu öffnen sei da "alles, was geht", etwa für alte Menschen aus dem Pflegeheim. "Ihre Einsamkeit darf uns nicht kaltlassen." Ganz anders wird die Tonlage allerdings, wenn die Grünenpolitikerin gefragt wird, welchen Raum sie dem Völkchen der Impfgegner, Esoteriker und Coronaleugner einräumt: "Wer sich hinstellt und sagt: ohne Maske Halleluja, kein Problem, gefährdet andere Leute", sagte sie. "Da gibt es kein Pardon."

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