Corona-Hilfspaket:500 000 000 000 Euro

Lesezeit: 3 min

Die EU-Finanzminister einigen sich auf ein Hilfspaket für klamme Staaten in der Corona-Krise. Der Streit über gemeinsame Anleihen bleibt, in zwei Wochen beraten die Staats- und Regierungschefs dazu. Sie sollen eine "Orientierung" geben.

Von Björn Finke, Thomas Kirchner und Oliver Meiler

Ein Kompromiss ist bekanntlich nie ein Sieg, höchstens ein Unentschieden. In Italien aber wird die hart erkämpfte Einigung der EU-Finanzminister auf ein Hilfspaket in der Corona-Krise von allen Seiten nur in absoluten Kategorien kommentiert. "Italien gewinnt", sagt Roberto Gualtieri, der sozialdemokratische Finanzminister des Landes, das von der Pandemie so heftig getroffen ist. Für den rechten Oppositionschef Matteo Salvini dagegen ist die Übereinkunft ein "Caporetto", eine verheerende Niederlage, so schlimm wie die der italienischen Armee 1917, in der zwölften Isonzoschlacht im Ersten Weltkrieg.

Nach langen Debatten verständigten sich die 27 Finanzminister der Union am Donnerstagabend auf Hilfsprogramme für klamme Staaten über etwa eine halbe Billion Euro - das sind 500 000 000 000 Euro. Zugleich vertagten sie den Streit um sogenannte Corona-Anleihen, also gemeinschaftliche europäische Schulden zur Bewältigung der Krise. Dieser Disput hatte in den vergangenen Wochen alte Gräben zwischen Nord und Süd, zwischen wohlhabenden Staaten wie Deutschland und den Niederlanden sowie hoch verschuldeten wie Italien wieder aufgerissen. Diese Gräben hatten schon vor einigen Jahren die Überwindung der Staatsschuldenkrise erschwert.

Vor allem Italien wirbt massiv dafür, dass die EU gemeinsame Anleihen ausgibt. Mit den Einnahmen daraus sollen Regierungen Konjunkturpakete finanzieren, um die Wirtschaft nach der Pandemie anzukurbeln. Wie nötig das sein wird, zeigen Prognosen des Internationalen Währungsfonds. Dessen Direktorin Kristalina Georgiewa sagt, die Lage werde so schlimm sein wie seit der Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren nicht mehr.

Für die umstrittenen Corona-Anleihen würden alle EU-Mitglieder gemeinschaftlich haften. Weil auch finanzstarke Staaten wie Deutschland hinter den Papieren stünden, wäre der Zins, also die Risikoprämie, niedrig. Frankreich, Spanien und sechs andere Länder unterstützen die Forderung aus Rom. Doch Regierungen wie die deutsche und niederländische lehnen die Vergemeinschaftung von Schulden seit jeher ab. Italien beklagt deswegen einen Mangel an Solidarität.

Die Minister hatten vor ihrer Videoschalte am Donnerstagabend bereits in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch beraten. Trotzdem schoben sie den Streit um Anleihen weiter hinaus. Ihre Abschlusserklärung verspricht nur, neben der halben Billion Euro Soforthilfe einen befristeten "Wiederaufbau-Fonds" zu schaffen, der nach der Pandemie Konjunkturspritzen ermöglichen soll. Wie groß der Topf sein soll, ob er Teil des EU-Haushalts sein und wie er gefüllt wird, bleibt offen. Die Minister bitten ihre Vorgesetzten, die Staats- und Regierungschefs, um "Orientierung". Diese sollen dem Hilfspaket in zwei Wochen bei einem Videogipfel zustimmen.

Italiens Premier Giuseppe Conte machte am Freitagabend bereits seine Position klar: Er werde "bis zum Schluss" für gemeinsame Anleihen, etwa in Form von Eurobonds, kämpfen. Das am Vortag von den Finanzministern vereinbarte Rettungspaket nannte er einen ersten Schritt in Richtung einer gemeinsamen europäischen Verantwortung, es sei jedoch "noch unzureichend".

Das vereinbarte Hilfspaket setzt sich aus drei Teilen zusammen: Erstens soll die Europäische Investitionsbank (EIB) mit Bürgschaften 200 Milliarden Euro an Darlehen für Mittelständler ermöglichen. Dafür müssen die Mitgliedstaaten 25 Milliarden Euro Garantien zur Verfügung stellen. Zweitens wird die EU-Kommission günstige Kredite gewähren, falls Ausgaben für Kurzarbeitergeld stark steigen. Es geht um bis zu 100 Milliarden Euro; auch hier müssen die Regierungen Garantien einbringen. Drittens bietet der Euro-Rettungsschirm ESM Kredite von maximal 240 Milliarden Euro an. Länder können bis zu zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung als Darlehen reservieren lassen.

Die Minister-Schalte wäre fast gescheitert, weil sich Italien und die Niederlande lange nicht auf die Bedingungen der ESM-Kredite einigen konnten. Den Haag kämpfte für die üblichen harten Auflagen, war damit aber isoliert. Premier Mark Rutte scheint es nicht zu stören, sich damit mindestens in ganz Südeuropa äußerst unbeliebt zu machen: Von Protesten aus Italien und Spanien solle man sich "nicht beeindrucken lassen", sagt er.

Hinter der unnachgiebigen Haltung steht die Erfahrung, dass die Niederlande ihren Haushalt mit schmerzhaften Reformen in Ordnung gebracht haben; anders als Staaten wie Italien. Zudem gehört das Land zu den EU-Nettozahlern, es trägt also ohnehin schon viel zum Brüsseler Budget bei. Die Kommunikationskultur spielt ebenfalls eine Rolle. In der traditionellen Handelsnation nimmt man ungern ein Blatt vor dem Mund - und erbosten Widerspruch in Kauf.

© SZ vom 11.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: