Corona:"Ein grobes Versagen der Verantwortlichen"

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Wann geht's endlich los? Wartebereich im Impfzentrum Potsdam. (Foto: Christophe Gateau/dpa)

Politiker und Wissenschaftler machen die Bundesregierung für die Impfstoff-Knappheit in Deutschland verantwortlich. Gesundheitsminister Spahn entgegnet, es laufe alles wie geplant.

Von Rainer Stadler, München

Angesichts der Knappheit von Corona-Impfstoff in Deutschland mehrt sich die Kritik an Bundesregierung und Europäischer Union. "Wir könnten deutlich mehr Menschen impfen, wenn mehr Impfstoff zur Verfügung stehen würde", sagte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) dem Redaktions-Netzwerk Deutschland. Das Robert-Koch-Institut meldete am Sonntagmorgen, bisher seien 238 809 Menschen in Deutschland geimpft worden. Erhebungen zufolge ist in Israel, Großbritannien und den USA bereits ein deutlich höherer Teil der Bevölkerung immunisiert. "Deutschland darf im Vergleich zu anderen Ländern bei der Bereitstellung des Impfstoffs nicht hinterherhinken", forderte Schwesig.

Ihr Genosse Karl Lauterbach bemängelte, es sei zu wenig Vakzin von der Firma Biontech geordert worden. Das gleiche gelte für das Präparat des US-Unternehmens Moderna, mit dessen Zulassung Experten in wenigen Tagen rechnen. Schon früh sei klar gewesen, dass der Moderna-Impfstoff wirke und in Hausarztpraxen verwendet werden könne, sagte Lauterbach. Laut Angaben des Herstellers ist die Lagerung in handelsüblichen Kühlschränken möglich, der Impfstoff von Biontech erfordert eine Kühlung auf minus 70 Grad.

Die Mainzer Neurologin Frauke Zipp, Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, sieht in der Impfstoff-Knappheit "ein grobes Versagen der Verantwortlichen". Es habe im Sommer Angebote für mehr Impfdosen gegeben. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer kritisierte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Spätestens im Herbst hätte er auf die "rasanten Entwicklungen" bei Biontech reagieren müssen. "Er hat aber die Fehlentscheidung der Bundesregierung nicht korrigiert und versagt." Es müsse aufgearbeitet werden, warum der Impfstoff zu knapp ist "und wo geschlampt wurde", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte.

Im Januar sollen alle Pflegeheim-Bewohner geimpft werden

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak kritisierte die SPD für deren Vorhaltungen scharf. "Schuldzuweisungen in diesen schweren Zeiten aus der Regierungspartei SPD sind plumpe Manöver und durchschaubar. Wir sollten uns einfach alle auf Problemlösungen konzentrieren", schrieb Ziemiak auf Twitter. Gesundheitsminister Spahn sagte in einem Fernsehinterview: "Es läuft genau so, wie es geplant war." 1,3 Millionen Dosen Impfstoff seien bis Jahresende an die Bundesländer ausgeliefert worden, bis Ende Januar würden es insgesamt vier Millionen sein - genau wie er seit Wochen angekündigt habe. Er versprach, dass im Januar alle Pflegeheim-Bewohner geimpft werden könnten.

Der Virologe Christian Drosten sagte, es sei praktisch unmöglich, das Vorgehen von Bund und EU im Nachhinein zu bewerten. "Man musste den Impfstoff mit Monaten Vorlauf bestellen - und wusste zu dem Zeitpunkt gar nicht, ob der betreffende Impfstoff auch funktionieren würde", sagte er der Berliner Morgenpost. Die EU solle sich nun aber schnell um den in Großbritannien bereits Notfall-zugelassenen Impfstoff von Astra Zeneca bemühen. Auch dieses Präparat benötige keine besondere Kühlung und könne von Hausärzten gespritzt werden.

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