Corona-App:Warnung vor der Warnung

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Jens Zimmermann (SPD) übte Kritik an Jens Spahn. (Foto: imago images/Christian Spicker)

Auf einigen Smartphones ist die Anwendung nur pausenlos aktiv, wenn man es ihr erlaubt. Das geht jetzt leichter: mit einem Schieberegler. Zuvor gab es Kritik an der Funktion.

Von Max Muth, München

"Warnfunktion war fünf Wochen kaputt, Regierung blamiert sich mit Corona-App", so titelte die Bild-Zeitung am Donnerstag. Eine Schlagzeile, die Millionen Deutsche verunsichern könnte, die sich und ihre Mitmenschen mithilfe der Warn-App vor Corona-Risikokontakten schützen wollen. Was genau sich hinter der Überschrift verbirgt, war hinter der Bezahlschranke der Zeitung verborgen. Müssen sich App-Nutzer Sorgen machen? Die Parteien im Bundestag forderten umgehend Aufklärung und kritisierten die Kommunikation des Gesundheitsministeriums. "Es ist mehr als ärgerlich, dass die zuständigen Fachpolitiker von dieser Sache aus den Medien erfahren", sagte der SPD-Politiker Jens Zimmermann.

Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich der Sachverhalt als deutlich weniger dramatisch. Tatsächlich gibt es Nutzer, deren Android-Betriebssystem die App daran hinderte, ihnen auch dann Wanrmeldungen über riskante Kontakte zu schicken, wenn die App geschlossen war. Entwicklern und Herstellern war das Problem seit längerem bekannt, an der Lösung wurde gefeilt. In den FAQs der App fand sich seit Ende Juni ein Hinweis, wie Nutzer das Problem selbst in den Einstellungen beseitigen konnten. Seit einem Update am Mittwoch macht die App es Nutzern nun etwas leichter. Trotzdem müssen sie noch einmal selbst aktiv werden.

Hintergrund sind die Energiespareinstellungen von Android. Google ermöglicht Nutzern seines Betriebssystems, Apps zu verbieten, bestimmte Aktionen im Hintergrund weiter auszuführen. Sie können einzelnen Apps oder allen auf einmal die Erlaubnis dafür entziehen. Einige Smartphone-Hersteller haben jedoch beschlossen, die Hintergrundaktivität standardmäßig zu unterbinden, um Strom zu sparen. Google selbst rät davon ab und verzichtet in eigenen Smartphones auch auf diese Funktion. Wer versucht, die Hintergrundnutzung der Corona-Warn-App manuell einzuschränken, dem zeigt Google diesen Hinweis an: "Um den Akku zu schonen, verhindere, dass Corona-Warn im Hintergrund Strom verbraucht. Eventuell funktioniert die App dann nicht mehr richtig und Benachrichtigungen werden verzögert angezeigt." Genau das ist nun mit der Warn-App passiert.

Die Kernfunktion des Contact-Tracings funktionierte einem Sprecher von SAP zufolge aber auch auf den betroffenen Geräten wie vorgesehen, der Austausch zwischen den Handys fand statt. Nur der Abgleich mit den über einen Server verschickten Schlüsseln von Corona-Infizierten geschah bei betroffenen Nutzern erst in dem Moment, in dem sie die App wieder öffneten. Alle anderen wären im Risikofall direkt von ihren Handys benachrichtigt worden. Ausgeschlossen wären also nur diejenigen gewesen, die ihre Warn-App nicht täglich öffnen.

Wie viele Nutzer das waren, ist unklar. Einen Anhaltspunkt liefert eine Liste der Messenger-App Slack. Die hat ein ähnliches Problem mit den Handyherstellern und hat auf einer Hilfeseite alle betroffenen Smartphones aufgelistet. Demnach geht es um Nutzer verschiedener Geräte von Huawei, Samsung, OnePlus und Xiaomi. Doch niemand weiß, wie viele Corona-App-Nutzer diese Geräte besitzen. Ob tatsächlich, wie Bild berichtete, potenziell "Millionen" Nutzer betroffen waren, bleibt also ungewiss. Bei der aktuell geringen Corona-Fallzahl und der damit verbundenen geringen Zahl von Meldungen über die App ist sogar unsicher, ob überhaupt jemand einen Alarm verpasst hat.

Schon vor dem Update von Mittwoch wäre es den Nutzern möglich gewesen, das Problem selbst zu beheben. Dazu hätten sie aber tief in die Einstellungen ihres Telefons hinabsteigen müssen, um ihrer Corona-App eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen. Mit dem aktuellen Update erleichtern Entwickler der App den Anwendern diesen Schritt. Sie haben in den Einstellungen der App direkt einen Schieberegler eingebaut, mit dem man der App die Erlaubnis für eine "priorisierte Hintergrundaktivität" erteilen kann.

Eine Lösung, bei der App-Nutzer gar nicht selbst aktiv werden müssen, könnten dagegen nur die Smartphone-Hersteller selbst liefern.

© SZ vom 25.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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