Comics:Reiseziel Mond

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So sollen sie aussehen: Die Innenseite der neuen belgischen Reisepässe schmückt künftig eine Mondrakete des Comic-Zeichners Hergé. (Foto: Benoit Doppagne/AFP)

Warum in belgischen Pässen künftig Raketen zu sehen sein werden.

Von Josef Kelnberger

Es war schon mal einfacher, mit gutem Gewissen zu verreisen. Der CO₂-Fußabdruck macht jeden Schritt hinein in fremde Welten zum Verbrechen an Kindern und Kindeskindern. Außerdem, wer will sich schon in irgendeinem fernen Land eine neue Virusvariante einfangen, die noch gefährlicher als Delta ist und noch ansteckender als Omikron? Da fliegt man doch lieber gleich mit Tim und Struppi auf den Mond. Oder man steigt mit Lucky Luke auf den guten alten Jolly Jumper und reitet hinaus in den Wilden Westen, um mit Ma Dalton ein ernstes Wort über ihre missratenen Söhne zu reden. Das geht ganz leicht - vorausgesetzt, man verfügt über einen belgischen Reisepass.

Vom 7. Februar an können Bürgerinnen und Bürger des Königreichs Belgien mit einem Comic-Heftchen verreisen. Ganz vorne und ganz hinten im neuen Reisepass steht startklar die von Professor Bienlein gebaute rot-weiße Mondrakete. Die Doppelseiten dazwischen sind mit belgischen Comic-Motiven gestaltet. Neben Tim und Struppi, Lucky Luke und Jolly Jumper warten auch die Schlümpfe, Spirou und Fantasio, Largo Winch, Blake und Mortimer, ja sogar das Marsupilami darauf, die Welt zu erkunden. "Wir wissen alle, wie wichtig Comics für Belgien sind", sagte Außenministerin Sophie Wilmès bei der Vorstellung des Dokuments. Ob das auch außerhalb Belgiens alle wissen?

Der Comic, der im französischsprachigen Raum "Bande Dessinée" (BD) heißt, ist belgisches Kulturgut. Als Vater der BD-Tradition gilt der Brüsseler Georges Remi, bekannt als Hergé. Er hat in den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts die "Aventures de Tintin" erschaffen, die Abenteuer von Tim, dessen Hundefreund im Original nicht Struppi, sondern Milou heißt. Die Stilrichtungen der BD, die sich von Brüssel aus verbreiteten, sind eine eigene Wissenschaft. Folgerichtig ist Ende der Sechzigerjahre am Brüsseler Institut Saint-Luc der erste Studiengang "Comic" entstanden. Bis heute gibt es hier eine lebendige Comic-Szene. In der Stadt begegnen einem BD-Helden jeden Tag: als überlebensgroße Figuren auf Häuserwänden.

Bestimmt wird nun unter den Reisepassfreunden diskutiert, ob der belgische Pass-Comic im internationalen Vergleich zur Spitzenklasse taugt. Der Wettbewerb ist härter geworden, seitdem UV-Licht eingesetzt wird, um die Pässe fälschungssicherer zu machen. Den Gestaltern hat das ein zusätzliches Spielfeld eröffnet hat. Auch die belgischen Helden entfalten erst unter dem Schwarzlicht ihre Farbenpracht. In allen Rankings weit oben zu finden ist der norwegische Reisepass, eine Augenweide für Freunde des Minimalismus. Die stilisierten Landschaften erwachen unter UV-Licht zu farbenfrohem Leben mit funkelnden Nordlichtern. Schlichteren Gemütern sei der finnische Pass empfohlen: Wer ihn als Daumenkino nutzt, sieht ein schreitendes Rentier. Der deutsche Pass gilt im Allgemeinen als, nun ja, sehr deutsch.

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