Profil:Der Diplomat, der auch ganz undiplomatisch kann

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Christoph Heusgen wünscht sich einen deutlich härteren Umgang mit China. (Foto: Luiz Rampelotto/Zuma Wire/dpa)

Christoph Heusgen, lange deutscher Vertreter bei den Vereinten Nationen und Angela Merkels Berater, übernimmt die Leitung der Münchner Sicherheitskonferenz.

Von Paul-Anton Krüger

Die große Bühne und den öffentlichen Auftritt hatte der Diplomat Christoph Heusgen erst zum Ende seiner Laufbahn im Sommer: Als Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen repräsentierte er die Regierung von Angela Merkel in den Sitzungen des UN-Sicherheitsrats und saß diesem turnusmäßig auch vor. In dieser Zeit nahm er sich mehr Beinfreiheit für deutliche Worte und auch Stellungnahmen in den Medien, als Berlin das gemeinhin bei deutschen Botschaftern goutiert.

In Erinnerung geblieben sind unkonventionelle Interventionen: Er forderte die Vertreter Israels und der Palästinenser auf, ihre Redemanuskripte beiseitezulegen und konstruktive Vorschläge zur Beilegung der Gaza-Krise zu machen. Oder redete den Botschaftern Russlands und Chinas wenig diplomatisch ins Gewissen, als diese humanitäre Hilfe für Rebellengebiete in Syrien per Veto blockieren wollten. Er ermunterte sie dabei, in ihren Hauptstädten nachzufragen, ob die Leute, die solche Anweisungen geben, morgens noch in den Spiegel schauen könnten angesichts des Leids einer halben Million Kinder.

Heusgen trat 1980 nach dem Studium und einer Promotion in Volkswirtschaftslehre in St. Gallen, an der Georgia Southern University und der Sorbonne in Paris in den Auswärtigen Dienst ein; Öffentlichkeit ist ihm auch in seinem neuen Job gewiss: Der 66-Jährige beerbt als Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger, 75. Der sprach von einer "neuen Generation", die jetzt die Geschicke in die Hände nehmen müsse - und von einem "exzellenten Nachfolger".

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Wenn sich die Konferenz heute ohne übertriebenes Selbstlob als "weltweit führendes unabhängiges Forum für Außen- und Sicherheitspolitik" bezeichnen kann, ist das Ischingers Verdienst. In den 13 Jahren an der Spitze hat er das Format geweitet: Pandemien oder der Klimawandel wurden hier zum Thema, Vertreter von Human Rights Watch und Greenpeace sitzen auf Podien, Asien und den Nahe Osten machte Ischinger zu Schwerpunkten eines Treffens, das zugleich seinen Charakter als alljährliches Hochamt der transatlantischen Freundschaft nie aufgegeben oder verleugnet hat.

Die enge Verbundenheit zu Amerika und der umfassende Sicherheitsbegriff sind dem scheidenden und dem neuen Vorsitzenden gemein. Auch Heusgen, der bis zu seinem Wechsel zu den UN in New York 2017 zwölf Jahre lang als außen- und sicherheitspolitischer Berater Angela Merkels diente und die Kanzlerin auf all ihren Auslandreisen begleitete, gilt als bestens vernetzt in aller Welt bis hin in die obersten Etagen.

Eigene Akzente dürfte er dennoch setzen. In der Debatte über die Rolle Europas etwa und der Frage der strategischen Autonomie: Heusgen hat unter Javier Solana den Europäischen Auswärtigen Dienst und die Idee einer gemeinsamen Sicherheitspolitik der EU maßgeblich mitentwickelt. Und während Ischinger seit seiner Botschafterzeit in Washington gute Kontakte pflegt mit Yang Jiechi, zeitweise wichtigster Außenpolitiker der Kommunistischen Partei Chinas, und Außenminister Wang Yi, hat Heusgen zuletzt einen deutlich härteren Umgang mit Peking gefordert. Da findet sich das CDU-Mitglied im Einklang mit der designierten Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen.

Zu seinem Abschied muss Ischinger im Februar 2022 eine deutlich verkleinerte Konferenz unter Corona-Bedingungen organisieren, danach übernimmt Heusgen und richtet 2023 das Jubiläum zum 60. Gründungstag aus - beide werden versucht sein, US-Präsident Joe Biden, als Senator Stammgast, für eine Teilnahme zu gewinnen. In München dürfte sich der aus Neuss am Rhein stammende Heusgen indes wohlfühlen: Er ist Fan des FC Bayern, ein begeisterter Skifahrer, und angesichts seiner Vorliebe für das Schützenfest in seiner Heimatstadt dürfte er auch dem Oktoberfest etwas abgewinnen können.

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