China:Zunge der Partei

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Xi Jinping auf Inspektionstour: Mit einem persönlichen Besuch impft der Staatschef den Medien seinen neuen Kurs ein. (Foto: Ma Zhancheng/AP)

Chinas Medien haben sich in den vergangenen Jahren Freiräume erkämpft. Damit ist es vorbei: Staatschef Xi Jinping schaltet sie wieder gleich.

Von Kai Strittmatter, Peking

Jetzt ist die Presse dran. Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping hat eine Kampagne losgetreten, deren erklärtes Ziel die Gleichschaltung der Medien ist. Chinas Medien hatten sich in den letzten Jahren kleine Freiräume erkämpft, die der Parteiführung nun offenbar ein Dorn im Auge sind. Alle Medienorgane müssten von nun an "mit Familiennamen 'Partei' heißen", sagte Xi Jinping dem Parteiblatt Volkszeitung zufolge. Sämtliche Redaktionen im Land müssten sich ausnahmslos "am Willen, an den Ansichten, an der Autorität und an der Einheit der Kommunistischen Partei" ausrichten.

Startschuss der Kampagne war eine Inspektionstour von Parteichef Xi bei den Redaktionen der größten Parteimedien in Peking am Freitag. "Die Öffentlichkeit zu lenken ist eine große Tradition unserer Partei", hieß es hernach in einem Kommentar der Nachrichtenagentur Xinhua, der auf ein berühmtes Zitat von Mao Zedong anspielte: "In der einen Hand halten wir die Gewehre, in der anderen unsere Stifte."

Chinas Medien waren seit der Gründung der Volksrepublik 1949 offiziell stets angehalten, "Kehle und Zunge", also Sprachrohr der Partei zu sein. Bis heute gibt es keine Zeitung, keine Webseite und keine Rundfunkanstalt, die nicht offiziell einer Parteiorganisation unterstellt ist. Zensur und Propaganda machten nie Pause, Pekings Zensurbehörden verschicken täglich Direktiven mit Themen, die tabu sind. Dennoch machte die Medienlandschaft in den vergangenen drei Jahrzehnten der Reform- und Öffnungspolitik einen Wandel durch. Auch in China nämlich sollte sich der Journalismus mit einem Mal selbst finanzieren. Die Blätter wurden kommerzieller und professioneller, einige wagten erstaunlich unabhängige Berichterstattung. Schon seit Xi Jinpings Amtsantritt als Parteichef im November 2012 war das Klima für solchen Journalismus jedoch merklich kühler geworden, die Freiräume schon kleiner. Allzu eigensinnige Chefredakteure und Reporter wurden gefeuert, heute sitzen nirgendwo auf der Welt so viele Journalisten im Gefängnis wie in China. "Das Jahr 2015 könnte das Ende einer Ära im chinesischen Journalismus markiert haben", schrieb Sarah Cook, die China-Expertin der Denkfabrik Freedom House.

Der Präsident versuche die "allumfassende Kontrolle", warnen kritische Beobachter

Die Kampagne kommt zu einer Zeit, da sich die Parteiführung großen sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen gegenübersieht. "Die Medien müssen das Vertrauen des Volkes in die Partei wiederherstellen", heißt es in der China Daily. Besonders jetzt, da "die Wirtschaft langsamer wächst". Den Hauptgrund, dessentwegen die Parteiführung sich offenbar zum Handeln gezwungen sah, benennen die Parteiblätter offen: Es herrscht bei vielen Chinesen großes Misstrauen gegenüber der KP und ihrer Propaganda. Das liege auch an den sozialen Medien, schreibt die Volkszeitung, da habe sich eine wachsende Kluft aufgetan: "Und wenn diese Kluft bestehen bleibt, dann wird sie die Legitimität der Parteiherrschaft untergraben." Nun wäre eine mögliche Lösung, die Parteimedien volksnäher zu machen. Parteichef Xi aber hat sich für die andere Variante entschieden: Die Parteimedien sollen das entfremdete Volk wieder hin zur Partei tragen. Dazu müssten sich Medien "in eine Linie einreihen" und "einen hohen Grad an Einheitlichkeit mit der Ideologie und der Politik der Partei" anstreben. Xi machte klar, das müsse für Onlineportale und Boulevardblätter ebenso gelten wie für die klassischen Propagandagazetten. Die "korrekte Ausrichtung" müsse dabei auch Unterhaltung und Werbung durchdringen.

Parteichef Xi hat Chinas soziale Medien schon auf Linie gebracht. Er kämpft weit repressiver als seine Vorgänger gegen westliche Einflüsse in China. Vor allem im vergangenen Jahr ging Chinas Sicherheitsapparat hart gegen unabhängige Denker, Bürgerrechtsanwälte, aber auch Vertreter der Zivilgesellschaft vor. Im Herbst 2015 verbot die KP auch ihren eigenen Kadern "unangemessene" politische Diskussionen.

Die Parteimedien begleiten Xis Medienoffensive nun seit Tagen mit einer Flut von Loyalitätsbekundungen. Am Wochenende machte ein hymnisches Gedicht eines Xinhua-Redakteurs auf den großen Führer die Runde ("Generalsekretär, in Ihrem Rücken / die bewundernden Blicke von mir und meinen Kollegen"). Das Pekinger Parteiblatt Global Times schrieb am Montag, die neuen Vorgaben der KP hätten mit Zensur nichts zu tun, sie seien vielmehr "Anleitung und Ermutigung zur Kreativität".

David Bandurski von der Hongkonger Forschungsgruppe China Media Project hingegen beschreibt Xis neueste Offensive als "kompromisslos". Anders als seine Vorgänger versuche Xi nun die "allumfassende Kontrolle" über jede Nische von Chinas Medienwelt zu erlangen. All die Hinweise auf die vorsichtigen Medienreformen der letzten Jahrzehnte, auf die schrittweise Kommerzialisierung und Professionalisierung des chinesischen Journalismus seien nun, so Bandurskis Urteil, "komplett verschwunden".

© SZ vom 23.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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