China:Überwacht, überall

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Wer in der Volksrepublik eine neue Handynummer will, muss künftig vorher sein Gesicht scannen lassen.

Von Lea Deuber

Das Ziel: die lückenlose digitale Überwachung der Bürger. Die Mittel: Big Data und künstliche Intelligenz, allen voran die Gesichtserkennung. Jetzt geht China im Streben, die Kontrolle seiner Bürger zu perfektionieren, einen Schritt weiter. Von Dezember an bekommt nur noch einen Internetanschluss oder eine Handynummer, wer zuvor sein Gesicht scannen lässt - zur Überprüfung der Identität. So soll sichergestellt werden, dass hinter dem registrierten Namen die richtige Person steckt. Dass man sich ausweisen muss, wenn man einen Vertrag abschließt, ist in vielen Ländern üblich. Dass dafür Technologie zur Gesichtserkennung eingesetzt wird, ist aber weltweit ein Novum.

Chinas Internetbehörden führen einen unerbittlichen Kampf gegen die Anonymität im heimischen Netz. Bereits heute müssen Internetnutzer sämtliche Accounts - bei sozialen Netzwerken und anderen Onlinediensten - mit ihrer Handynummer verknüpfen. Sie dient den Behörden als digitale Identifikationsnummer. Fast jede Onlineaktivität kann so im Bruchteil einer Sekunde einer Person zugeordnet werden. Das beginnt bei so banalen Dingen wie dem Eintippen einer Suchanfrage. Das neue Gesetz soll nun auch die letzten Lücken dieses Kontrollsystems schließen. Die digitale Überwachung hat sehr analoge Konsequenzen: Regelmäßig werden Menschen verhaftet, die sich kritisch gegenüber der Regierung geäußert haben. Zuletzt wurden mehrere Personen festgenommen, die Chinas Flagge online verunglimpft hatten.

Was sich für Europäer befremdlich anhört, ist in China längst Alltag, Gesichtserkennung ist dort überall. Mittels der Technologie kann man seinen Kaffee oder Rechnungen bezahlen. Universitäten kontrollieren so, wer den Campus betritt. Und mithilfe eines landesweiten Netzwerks aus bald 600 Millionen Kameras werden Menschen auf der Straße identifiziert, die bei Rot über die Straße gegangen sind oder gegen andere Verkehrsregeln verstoßen haben. In einigen Städten werden sie auf Bildschirmen öffentlich angeprangert.

Peking wirbt überall auf der Welt für sein hartes Vorgehen im Netz. Das Konzept der sogenannten Cyber-Souveränität soll jeder Regierung das Recht geben, das Internet im eigenen Land nach Belieben zu regulieren - und zu zensieren. Dem Thema ist sogar eine eigene, jährliche Internetkonferenz gewidmet, die an diesem Sonntag in Wuzhen startet.

Im Ausland wird die Technologie allerdings deutlich kritischer gesehen. Die USA haben jüngst mehrere chinesische Hersteller von Gesichtserkennungssoftware auf eine schwarze Liste gesetzt, weil deren Technologie zur Unterdrückung muslimischer Minderheiten genutzt werden soll. Auch US-Firmen dürfen ihre Technologie nicht mehr ohne Erlaubnis nach China verkaufen.

Viele Kritiker halten die Software zudem schlicht für zu fehleranfällig. Die Folgen sind bisweilen kurios: So soll in China eine Frau nach einer Nasen-OP von keinem System mehr erkannt worden sein. Vor allem nicht von ihrer digitalen Geldbörse, die sie daraufhin nicht mehr zum Zahlen nutzen konnte.

© SZ vom 19.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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