China: Prozess gegen Dissident Liu:Volksrepublik vs. Volksheld

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China macht dem Bürgerrechtler Liu den Prozess: Weil er die Staatsgewalt untergraben haben soll, drohen dem berühmten Kritiker 15 Jahre Haft. Beobachter ließ das Regime in Peking nicht zu.

Unter ungewöhnlich scharfen Sicherheitsvorkehrungen ist am Mittwoch in Peking dem prominenten chinesischen Bürgerrechtler Liu Xiaobo der Prozess gemacht worden.

Aktivisten bekunden in Hongkong ihre Solidarität mit dem Bürgerrechtler Liu Xiaobo. (Foto: Foto: AP)

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Regimekritiker und Ehrenpräsidenten des chinesischen Pen-Clubs unabhängiger Schriftsteller "Untergrabung der Staatsgewalt" vor. Dem 54-Jährigen drohen bis zu 15 Jahre Haft. Das Urteil gegen Liu soll an diesem Freitag gesprochen werden.

Ein massives Aufgebot von Polizei- und Staatssicherheitskräften in Uniform und Zivil sperrte das Erste Mittlere Volksgericht weiträumig ab. Mehrere Unterstützer des Dissidenten, die vor dem Gerichtsgebäude ihre Sympathie bekunden wollten, wurden festgenommen, wie Augenzeugen berichteten.

Diplomaten aus Deutschland, den USA, Frankreich oder Kanada bemühten sich vergeblich, als Beobachter zum Prozess zugelassen zu werden. Sie wurden mit dem Hinweis abgewiesen, alle Zuschauerplätze seien bereits belegt.

Im Video: In China wird dem prominenten Bürgerrechtler Liu Xiaobo der Prozess gemacht. Dem 54-jährigen Schriftsteller drohen bis zu 15 Jahre Haft. Weitere Videos finden Sie hier

In einem stummen Protest erschien auch Ai Weiwei, der zu den bekanntesten chinesische Gegenwartskünstlern gehört, vor dem Gerichtsgebäude. Der regimekritische Anwalt Teng Biao demonstrierte ebenfalls seine Unterstützung für den bekanntesten Kritiker des chinesischen Machtapparats. "Der Prozess verstößt gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Menschenrechte des Volkes", teilte Teng Biao über den Kurznachrichtendienst Twitter mit.

Der US-Diplomat Greg May forderte in einer Erklärung vor ausländischen Journalisten die sofortige Freilassung Liu Xiaobos, der sich nur friedlich für demokratische Prozesse in China eingesetzt habe. Er forderte Chinas Regierung ferner auf, das Recht der Bürger zu respektieren, ihre politischen Ansichten zu äußern und sich für weltweit anerkannte, fundamentale Freiheiten einzusetzen.

Die USA gingen nach den vorliegenden Informationen davon aus, dass die Ursache für die Anklage gegen Liu in seiner Unterstützung für die "Charta 08" für demokratische Reformen und Menschenrechte in China gründet.

Das vor einem Jahr veröffentlichte Manifest ist online von mehr als 10.000 Menschen unterzeichnet worden. Die chinesische "Charta 08" sieht sich in der Tradition der "Charta 77" vom Januar 1977 gegen Menschenrechtsverletzungen in der Tschechoslowakei und fordert ein Ende der Ein-Parteien-Herrschaft in China.

Trotz internationaler Appelle für seine Freilassung sitzt Liu Xiaobo seit einem Jahr in Haft. Seine Frau Liu Xia nannte die Vorwürfe "fabriziert". Sie darf nicht als Zuschauerin an dem Prozess teilnehmen, weil der Ankläger sie als Zeugin aufrufen will.

Liu Xiaobos Frau wurde wie auch einige seiner Freunde durch Staatssicherheitsbeamte schon zu Hause daran gehindert, überhaupt zum Gericht zu fahren. Zu ihnen gehörte auch die pensionierte Professorin Ding Zilin, die dem losen Netzwerk der Familien der Opfer der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 vorsteht. Sie hatte alle Unterzeichner der "Charta 08! dazu aufgerufen, sich friedlich vor dem Gerichtsgebäude zu versammeln, um ihre gemeinsame Verantwortung für das Manifest kundzutun.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke, sprach von einem Schauprozess. "Das ist, wenn man so will, der fast alltägliche Skandal in der Volksrepublik China", sagte Nooke im Deutschlandfunk. Die Bundesregierung und die Europäische Union müssten weiterhin die bedingungslose Freilassung des Bürgerrechtlers fordern. "Natürlich müssen wir uns in diesem Sinne auch in die inneren Angelegenheiten Chinas einmischen." Bei aller Kooperation mit China dürfe es keine Zweifel geben, dass die Bundesregierung auf der Seite derjenigen stehe, die unterdrückt und entrechtet würden.

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