China:Paranoia in Peking

Die Repression erreicht ein bisher kaum gekanntes Ausmaß. Chinas Öffnung ist vorerst vorbei.

Von Kai Strittmatter

Seit Xi Jinping Parteichef ist, redet Chinas KP erstaunlich viel von Rechtsstaatlichkeit. "Mit chinesischen Besonderheiten", klar. Auf Deutsch heißt das: Mit Recht und Gesetz, wie wir es kennen, hat die Partei nicht viel im Sinn. Im Gegenteil.

Die Repression unter Xi hat solche Ausmaße angenommen, wie seit den dunklen Tagen im Gefolge des Massakers vom Tiananmen-Platz 1989 nicht mehr. Die Zivilgesellschaft wird ausgemerzt, Feministinnen werden verhaftet, Bürgerrechtsanwälte zu Staatsfeinden erklärt und mit Anklagen verfolgt, die selbst langjährige China-Beobachter schockieren. Das Staatsfernsehen ist der neue Pranger, Festgenommene werden dort lange vor jedem Gerichtsverfahren gebrochen und reuig vorgeführt, eine Praxis, die an kulturrevolutionäre Zeiten erinnert. Jetzt greift allem Anschein nach Chinas Sicherheitsapparat bei seiner Jagd auf Andersdenkende sogar in Hongkong und im Ausland zu. Und in China selbst wird mehr und mehr Stimmung gemacht gegen "feindliche westliche Kräfte", die das System untergraben wollen.

Die Paranoia wächst. Die Zeit der Öffnung Chinas ist vorerst vorüber. Westliche Investoren sollten genau hinsehen. Einige neue Gesetze etwa scheinen einzig dazu geschrieben worden zu sein, die bislang herrschende Willkür in Zukunft mit Paragrafen zu unterfüttern. Rechtsstaat mit chinesischen Besonderheiten.

© SZ vom 21.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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