China:Marco Polos Erben

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Der Handel mit den Chinesen wird immer schwieriger. Zwar beklagt Peking einerseits die Doppelzüngigkeit des Westens. Andererseits werden europäische Investoren Opfer von Willkür und Unwägbarkeiten.

Von Stefan Kornelius

Auf schwierige Zeiten sollte sich einstellen, wer mit China Handel treibt. Wer nicht mit China Handel treibt auch. Chinas tiefe Verquickung mit dem Wohlstand in Deutschland mag den Wenigsten bewusst sein, doch der wunderhafte Aufstieg der Volksrepublik zum ökonomischen Kraftzentrum der Welt war eine der wichtigsten Ursachen für Stabilität und Wachstum der deutschen Volkswirtschaft in den vergangenen Jahren. Der Exporterfolg definiert sich zwar nicht allein über China, aber definitiv wäre er ohne die Pumpstation in Ostasien so nicht vorstellbar.

Diesen Zusammenhang haben die Deutschen und vor allem ihre Industrie-Barone meist wie selbstverständlich hingenommen. Exporte nach und Investitionen in China waren zwar mit Erschwernissen verbunden. Aber unter dem Strich handelte es sich um ein Schönwettergeschäft mit ordentlichen Profitmargen. Politische Erschütterungen blieben bei der Erschließung dieses komplizierten Marktes bemerkenswert klein, stellt man in Rechnung, dass da eine regelbasierte freie Marktwirtschaft mit dem staatlich gesteuerten Turbokapitalismus der Volksrepublik vermählt wurde.

Deutsche Investoren leben mit Unwägbarkeiten und Willkür

Bisher handelte es sich um Geschäfte zum wechselseitigen Wohl und im wechselseitigen Interesse. Da lassen sich Probleme leicht ausräumen. Jetzt aber ändert sich das Wachstumsklima weltweit, mehr noch: das Interesse füreinander. China und Deutschland singen nicht mehr zwingend vom selben Blatt. Aus ökonomischem Mehrwert wird Rivalität.

Chinas Volkswirtschaft steht mitten in einem Radikalumbau - weg von der Massenproduktion und hin zu einer hoch technisierten, innovativen Industrie. Dieser Umbau ist voller Risiken aber zwingend, weil die Massen- und Billigproduktion in noch günstigere Lohnzonen abwandert. Auch China lässt in Myanmar herstellen. Zum Umbau seiner Wirtschaft braucht das Land nun technologisches Know-how und kauft es weltweit ein.

Daran wäre in einer reinen marktwirtschaftlichen Lehre wenig auszusetzen, aber diese Lehre gibt es bekanntlich nicht. Hinter den ökonomischen Absichten stehen politische Ziele. Deswegen wird es jetzt immer häufiger zum Konflikt kommen.

Chinas Einkaufsliste ist von der Führung des Landes diktiert, und Deutschland wäre naiv, wenn es die strategische Absicht dahinter nicht zu erkennen vermöchte. An dieser Erkenntnis scheint es aber der Industrie zu mangeln. Nur noch etwa ein Viertel der 30 Dax-Konzerne leistet sich eine Grundsatzabteilung, in der über ökonomische und politische Ziele nachgedacht wird. Ansonsten regiert die Gewinnmarge. Also wird heftig gejammert über den Streit, den ein Wirtschaftsminister vom Zaun bricht, wenn er einen chinesischen Einkauf verhindert. Wenn der Roboterhersteller Kuka mit einem märchenhaften Aufschlag an einen Haushaltsgeräte-Hersteller in China geht, hat der Vorstandsvorsitzende in den Augen der Aktionäre doch alles richtig gemacht.

Mehr und mehr kommen nun die politischen Unverträglichkeiten der Systeme in den Blick, Ursache und Katalysator der kommenden Konflikte. Es fehlt an Vertrauen und Verständnis: Chinesische Investitionen sind intransparent, sie gehorchen nicht zwingend Marktgesetzen, vor allem wenn - wie in der Regel - der Staat als Finanzier hinter dem Geschäft steht. Was geschieht mit der Investition? Bleiben das technologische Know-how und vor allem die Arbeitsplätze erhalten?

China kritisiert nicht ganz zu Unrecht die Doppelzüngigkeit, die sich hinter dem Misstrauen verbirgt: Warum verweigert sich Deutschland den Investitionen, wenn es doch selbst viele Jahre fröhlich Geschäfte in China machen durfte? Das Argument blendet freilich aus, dass deutsche Investoren bis heute mit Unwägbarkeiten und Willkür leben müssen. Waffengleichheit besteht noch lange nicht bei Marktzugang, Investitions- und Rechtssicherheit. All das wird jetzt in einem generell handelsfeindlichen Klima neu justiert. Für die Globalisierung 4.0 hat noch keiner den Code geschrieben.

Nicht ausräumen lässt sich am Ende der zentrale Widerspruch im Geschäft mit China: Staat und Wirtschaft funktionieren zentralistisch und hierarchisch. Wenn an der Spitze ein Wille ist, findet sich auch ein Weg. Das hat freilich mit dem westlichen Verständnis von Rechtsstaatlichkeit und Transparenz nichts zu tun. Eine regelbasierte Wirtschaft wird sich einem zentralistisch gesteuerten System nie unterordnen können. Jetzt, da China und Deutschland in den Wettbewerb treten, wird diese Ungleichbehandlung zum Politikum. Und plötzlich geraten ein Chiphersteller oder ein Leuchtenfabrikant zum strategischen Risiko.

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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