China:Kein Platz für Nachfolger

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Wahre Machthaber: Partei- und Staatschef Xi (Mitte) präsentierte sich in Peking mit den sechs weiteren Mitgliedern des Ständigen Ausschusses des KP-Politbüros, das in China das Sagen hat. Darunter KP-Chefideologe Wang Huning (links) und der neue Korruptionsjäger Zhao Leji (rechts). (Foto: Jason Lee/Reuters)

Ins mächtigste Gremium des Landes ist beim KP-Parteitag niemand eingerückt, der Partei- und Staatschef Xi Jinping folgen könnte. Auch das unterstreicht, dass er seine fast absolute Macht noch lange beanspruchen will.

Von Kai Strittmatter, Peking

Die Kommunistische Partei Chinas hat am Mittwoch in Peking ihre neue Führung vorgestellt. Der Ständige Ausschuss des Politbüros ist das mächtigste Gremium im Land, seine sieben Mitglieder sollen in den nächsten fünf Jahren die Geschicke des Landes leiten. Der Parteichef, also Xi Jinping, ist stets die Nummer eins, mit Spannung war die Besetzung der sechs anderen Posten erwartet worden. Die wichtigste Frage wurde klar beantwortet: Es hat kein möglicher Nachfolger Xis Eingang in das Gremium gefunden. Xi beschwor in einer Ansprache am Dienstag den "jugendlichen Geist" der KP, die sechs neuen Kollegen Xis sind jedoch durchgängig zu alt, um für seine Nachfolge infrage zu kommen. Und wieder hat es keine Frau in den inneren Zirkel der Macht geschafft. Auch im 204 Mitglieder starken neuen Zentralkomitee finden sich gerade mal zehn Frauen. Die Abwesenheit eines potenziellen Nachfolgers stärkt einerseits den absoluten Führungsanspruch Xi Jinpings. Andererseits ist es ein Bruch mit der Praxis der vergangenen Jahre, rechtzeitig einen Nachfolger für die Parteispitze aufzubauen und so einen reibungslosen Machtwechsel vorzubereiten. In den vergangenen Jahrzehnten waren die Führer der Partei jeweils nach der zweiten Amtszeit zurückgetreten. Xi Jinping tritt jetzt gerade diese zweite Amtszeit an. Allerdings war schon spätestens seit Dienstag klar, dass Xi vorhat, seine Partei und das Land noch weit über die nächsten fünf Jahre hinaus anzuführen. Am Dienstag nämlich wurde Xi Jinping namentlich in die Parteiverfassung aufgenommen mit seinem "Xi-Jinping-Denken über die neue Ära des Sozialismus chinesischer Prägung", eine Ehre, die zuvor zu Lebzeiten nur dem Republikgründer Mao Zedong zuteil geworden war. Solche Machtfülle wie Xi hat seit Mao kein Parteiführer mehr auf sich vereint. Und Xi will seine Macht für einen Kurswechsel nutzen: Unter ihm soll die Partei wieder alle Felder von Gesellschaft und Wirtschaft mit starker Hand kontrollieren und anführen. Gleichzeitig soll China wieder Großmacht werden und der Sozialismus ein Modell für andere Länder.

Das Zeitalter der kollektiven Führung geht unter Xi nun wohl zu Ende. Am Dienstag nahm Xi sich keine zwei Minuten Zeit, um seine neben ihm stehenden sechs neuen Politbürokollegen vorzustellen. Die Reporter könnten das alles "in den Medien" nachlesen, sagte er. Die Mehrzahl der insgesamt 25 Mitglieder des erweiterten Politbüros gelten nun als Xi-Alliierte. Dass der 62-jährige Li Keqiang wieder im Ständigen Ausschuss ist, war keine große Überraschung. Li gilt als schwächster Premierminister seit Jahrzehnten. Nicht mehr dabei im Ständigen Ausschuss ist der heute 69-jährige Wang Qishan, bislang die Nummer zwei im Land und als Chef der gefürchteten Disziplinarkommission der Mann, der für Xi die Korrupten im Land jagte und die Rivalen aus dem Weg räumte. Seinen Platz als höchster Korruptionsjäger und Ideologiewächter nimmt nun der 60-jährige Zhao Leji ein. Zhao regierte viele Jahre die Provinzen Qinghai und Shaanxi, zuletzt war er der Chef der mächtigen Organisationsabteilung, das ist die Personalabteilung der KP, die über die Karrieren ihrer Kader entscheidet.

Mehrere ausländische Medien durften nicht in die Große Halle des Volkes

Interessant ist auch die Berufung von Wang Huning, schon lange Chefideologe der KP. Wang begann seine akademische Karriere einst als USA-Experte und war schon früh ein Anhänger des Neo-Autoritarismus, eine Denkschule, die im China der Achtzigerjahre einer aufgeklärten Autokratie das Wort redete. Wang gilt als enger Berater Xi Jinpings und soll auch maßgeblich Einfluss gehabt haben auf die Vision des "Chinesischen Traums", eine Parole mit der Xi kurz nach Amtsantritt 2012 von sich reden machte, und die vor allem den Wiederaufstieg Chinas auf der internationalen Bühne anstrebt. Ebenfalls dabei sind Li Zhanshu, ein enger Verbündeter und Stabschef Xis, sowie Vizepremier Wang Yang, der einst reformfreudige Regent der Provinz Guangdong. Die Berufung Han Zhengs, des Parteichefs von Shanghai, gilt als Zugeständnis an die sogenannte Shanghai-Fraktion des 91-jährigen ehemaligen KP-Chefs Jiang Zemin.

Der Verein der Auslandskorrespondenten in China FCCC protestierte am Dienstag gegen den Ausschluss mehrerer Medien von der Veranstaltung in der Großen Halle des Volkes: Der BBC, dem Guardian, der Financial Times, dem Economist und der New York Times war der Einlass verweigert worden. Offenbar habe man unliebsame Medien "bestrafen" wollen, schrieb der FCCC in einer Erklärung. Parteichef Xi Jinping sagte in seiner Ansprache, die KP begrüße Medien, die sich "objektiver Berichterstattung und konstruktiven Vorschlägen" widmeten. Am Ende zitierte Xi einen Dichter aus der Yuan-Dynastie: "Ich brauche niemanden, der mich schönredet, mir genügt es, dass meine Integrität das Universum erfüllt."

© SZ vom 26.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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