China:Im Pantheon

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Parteichef Xi Jinping ist nun zum Führer mit der größten Macht seit Mao Zedong aufgestiegen. Er steht für die Rückkehr der Ideologie und für das Ende der Öffnung. Das ist gefährlich für die Welt - und für China.

Von Kai Strittmatter

In China beginnt jetzt die Ära Xi Jinping. Man reibt sich die Augen. So schnell, so machtvoll war das nicht zu erwarten gewesen, der Aufstieg von Parteichef Xi zum Führer mit der größten Machtfülle seit Mao Zedong. Schon zu Lebzeiten aufgenommen zu werden in den Pantheon der KP, mit den nach ihm benannten "Xi-Jinping-Gedanken", Ähnliches war zuvor nur Mao gelungen. Dieser Spruch geht um in China: Mao Zedong hat das Land von Feinden befreit. Deng Xiaoping hat es reich gemacht. Und Xi Jinping macht es nun stark, führt es an die Spitze der Welt.

Der Staat gehört der Partei - und die Partei gehört jetzt wohl Xi

Nein, Xi Jinping ist nicht Mao. Mao war der ewige Revolutionär, er liebte das Chaos und die Unruhe, und er stürzte sein Land in verheerende Katastrophen. Xi hingegen gehen Stabilität und Kontrolle über alles. Seine Generation und die seiner Eltern hatten selbst unter Maos Kulturrevolution gelitten. Er ist mehr Technokrat als Revolutionär. Aber einer mit ungeheurem machiavellistischen Machtgeschick. Er hat es geschafft, in nur fünf Jahren eine zerfallende KP in seinen eisernen Griff zu bekommen und eine unruhige, vielfältige, manchmal unbotmäßige Gesellschaft zu "harmonisieren", wie das in China heißt - also die Stimmen der Andersdenkenden zu ersticken und jeden Winkel dem Gebot der Partei zu unterwerfen. Xi erinnert wieder alle daran: Dass in diesem Land auch die Armee der Partei gehört, und nicht dem Staat. Dass auch der Staat der Partei gehört. Und die Partei, die gehört nun wohl ihm.

"Retter des Sozialismus" haben sie ihn auch geheißen auf dem Parteitag. Den Mann, der es der KP Chinas ermöglichen will, die unrühmlich verschiedene KPdSU zu überholen an Machtdauer und an Lebenszeit. Bald ist es so weit. Die Partei dankt es Xi Jinping. Die Eingravierung seines Namens in die Verfassung der KP ist ein Einschnitt: In Zukunft stellt sich jeder, der Xi als Person herausfordert, damit automatisch gegen die Partei. Das aber heißt auch, all die Spekulationen, ob Xi nun noch einen Nachfolger für das Amt des Parteichefs in fünf Jahren vorstellt oder nicht, sind letzten Endes bedeutungslos. Solange Xi lebt, wird niemand es mit ihm an Autorität aufnehmen können, egal in welchem Amt der Neue sitzt. Am Mittwoch wird in Peking der neue ständige Ausschuss des Politbüros vorgestellt. Früher war das der spannendste Moment eines jeden Parteitags. Jetzt aber muss man wohl sagen: Es ist eigentlich ziemlich egal, wer in Zukunft unter Xi im Politbüro dient.

Es ist dies ein großer Bruch mit den ungeschriebenen Normen der vergangenen Jahrzehnte. Und es ist nicht der einzige. An die Stelle des jahrzehntelang gerühmten Pragmatismus der Partei setzt Xi Jinping die Rückkehr der Ideologie. Wo Deng Xiaoping, der Architekt der Reformpolitik, dem Land Öffnung und Neugier predigte, schottet Xi China wieder ab.

Und noch etwas ist vorbei: die außenpolitische Zurückhaltung. Es war dies der erste Parteitag der KP Chinas mit einer Botschaft explizit an die Welt: China kehrt zurück. An die Spitze der Nationen. Und die Staatsmedien trommeln. Mach Platz, Westen, macht Platz, Kapitalismus und Demokratie, schrieb die Nachrichtenagentur Xinhua: "Es ist Zeit für einen Wandel." Die Welt müsse China verstehen lernen, schreibt Xinhua, denn: "Es sieht so aus, als werde China weiterhin triumphieren." Der erste Teil des Arguments stimmt: Die Welt wird es sich nun genauer anschauen müssen, dieses China, das sein System erstmals selbst als Modell anbietet allen Entwicklungsländern, aber auch all den scheinbar erschöpft darniederliegenden Demokratien des Westens. Dieses Land wird in Zukunft verstärkt mit uns konkurrieren und bei uns auch Einfluss zu nehmen versuchen.

Der zweite Teil allerdings, der Triumph, der ist noch lange nicht ausgemacht. Deng Xiaoping hatte einst nach Maos Tod die Übel von Personenkult und Machtkonzentration als größte Gefahren für das System identifiziert und China Dezentralisierung, Öffnung, Experimentierfreude und eine kollektive Führung verschrieben. Diese Prinzipien bildeten die Grundlage für den sagenhaften Erfolg des Wirtschaftswunders - und Xi Jinping bricht gerade mit jedem einzelnen von ihnen. Die KP mag nun demonstrativ selbstbewusst auftreten, sie ist aber auch paranoid und nervös. Xi schneidet alles auf sich zu: das Land, die Partei. Was aber, wenn er einmal ausfällt? Was, wenn er bald in der Blase gefangen ist, die wie so viele Autokraten auch Mao früh von Volk und Lande isolierte? Wenn auch er nur mehr umkreist von Heuchlern und Schmeichlern regiert, isoliert von der Wirklichkeit, von Kritik und Resonanz? Ja, es beginnt nun eine neue Ära. Für China und für die Welt. Und für beide ist sie nicht ohne Risiken und Gefahren.

© SZ vom 25.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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