China:Ein Schuss Kritik

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Ursula von der Leyen erhält ein Erinnerungsfoto nach ihrer Rede an einer Universität der chinesischen Armee. (Foto: How Hwee Young/dpa)

Ministerin von der Leyen mahnt Peking zu Kompromiss wegen der Ansprüche im Südchinesischen Meer.

Von Christoph Giesen und Ulrike Heidenreich, Peking

Eine Rede vor Studenten, das war der Wunsch der Ministerin. Zu den jungen Leuten in China sprechen, für eine Weltordnung werben, die auf Regeln basiert. In den Pekinger Außenbezirk Haidian muss Ursula von der Leyen (CDU) dazu fahren, eine Stunde vom Zentrum entfernt. Chinas Hauptstadt, dieser Moloch aus Beton, Teer und Stahl, wird hier auf einmal richtig schön, die "duftenden Berge" erheben sich, bewaldete Hügel mit verschlungenen Pfaden, die zu Pagoden auf den Gipfeln führen. An diesem Montag ist davon nichts zu sehen, dichter Smog verhängt alles.

Den Gestank von Kohle und Abgasen kann man auch im Auditorium der Verteidigungsuniversität am Fuße der "duftenden Berge" riechen. Gut hundert Leute füllen den Saal, Soldaten der Volksbefreiungsarmee, allesamt Offiziere auf Lehrgang. Das ist der Kompromiss: eine Rede vor Studenten einverstanden, aber wo und vor allem vor wem, das bestimmt China.

Die Verteidigungsministerin beginnt höflich: "Es ist mir eine große Freude in Ihrem Land zu Besuch zu sein. Es ist für mich das erste Mal, dass ich China besuche", sagt von der Leyen. Dann die Kritik, wohl dosiert und doch ist jedem im Raum klar, worum es geht. "Allein durch die Straße von Malakka, dem Nadelöhr des indopazifischen Raums, fahren täglich 2000 Schiffe - fast ein Viertel des von der Seeschifffahrt betriebenen Welthandels", sagt sie. "Es ist daher in unser aller Interesse, dass diese genauso wie andere Handelswege frei passierbar bleiben und nicht zum Gegenstand von neuen Machtprojektionen und territorialen Ansprüchen werden." Die Straße von Malakka, das ist das Eingangstor zum Südchinesischen Meer. Und Demonstrationen der Macht hat es hier in den vergangenen Monaten zur Genüge gegeben.

Die Ministerin fordert Lösungen "gemäß der Stärke des Rechts, nicht des Rechts des Stärkeren"

China erhebt Anspruch auf weite Teile des Seegebietes, es geht um Rohstoffe und um Handelswege. Um Fakten zu schaffen, hat die chinesische Regierung künstliche Inseln aufschütten und Stützpunkte auf verlassenen Archipelen errichten lassen. Der Internationale Schiedsgerichtshof in Den Haag jedoch hat die Interessen Pekings bereits im Jahr 2016 abgewiesen. Die chinesische Führung ignoriert jedoch das Urteil konsequent. Ein potenzieller Krisenherd. Über James Mattis, den amerikanischen Verteidigungsminister, heißt es, wenn er morgens aufstehe, denke er an das Südchinesische Meer und erst danach an die Nato. Kompromisse müssten gefunden werden, "gemäß der Stärke des Rechts, nicht des Rechts des Stärkeren", sagt von der Leyen.

Nach der Rede greift der Präsident der Universität zum Mikrofon. Er habe einen "unglaublich inhaltsreichen und kompakten Vortrag" gehört, sagt er. "Leider haben wir keine Zeit mehr für Nachfragen." Kurzer Applaus, dann marschieren die Studenten in Formation davon. Wie viel wohl hängen geblieben ist?

"Sich verstehen und sich gegenseitig erklären", so hatte die Ministerin den Sinn ihrer Reise nach Peking beschrieben. Gut eine Woche ist von der Leyen unterwegs - zuerst in der Mongolei und jetzt in China, dann weiter nach Australien zu den "Invictus Games", bei denen im Einsatz verletzte Soldaten aus aller Welt in den sportlichen Wettstreit treten. Danach folgt der Besuch einer sicherheitspolitischen Konferenz in Bahrain, der Manama-Dialog. Im fernen Berlin versucht ihr Stab derweil den Schaden, der durch Ungereimtheiten bei der Beschäftigung von externen Beratern im Verteidigungsministerium entstanden ist, möglichst gering zu halten. Getoppt noch durch das Bekanntwerden einer internen Anweisung, wonach Mitarbeiter nicht ohne Genehmigung von oben mit Bundestagsabgeordneten sprechen sollen.

Von der Leyen lässt sich davon aber nichts anmerken. Gleich nach der Ankunft am Sonntag in China ist sie mit ihrer Delegation zur Chinesischen Mauer gefahren. Das Bauwerk sollte das Land einst vor seinen Feinden schützen. "Hier zeigt sich die Problematik, Gegner draußen zu halten", sagt die Ministerin tief beeindruckt.

Am Morgen dann Termin bei einem der mächtigsten Männer Chinas, General Xu Qiliang ist stellvertretender Vorsitzender der Zentralen Militärkommission. Er empfängt im Verteidigungsministerium. Dunkelrote Gobelins mit Bergpanorama hängen im Foyer. Danach die Rede an der Verteidigungsuniversität und am Nachmittag wieder ins Ministerium, diesmal zum Abschreiten der Ehrenformationen gemeinsam mit dem Hausherrn, Verteidigungsminister Wei Fenghe. Im Unterschied zu General Xu ist Weis Einfluss gering. In China untersteht die Volksbefreiungsarmee nicht dem Minister, sondern der Kommunistischen Partei und ihrer Zentralen Militärkommission, und deren Vorsitzender ist wie so oft in China Staats- und Parteichef Xi Jinping höchstselbst. Jener Mann, der Chinas neuen Nationalismus beschwört und dem Land Stärke verordnet hat.

© SZ vom 23.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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