Chemnitz:"Allein der Staat sorgt für Sicherheit"

Lesezeit: 1 min

Bundespräsident Steinmeier verurteilt die Ausschreitungen. Sachsens Polizei gibt Fehler zu: Sie habe das Gewaltpotenzial unterschätzt und zu wenig Beamte in der Stadt gehabt.

Von Jens Schneider, Berlin

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) haben die Ausschreitungen in Chemnitz verurteilt. "Der Staat - und allein der Staat - sorgt in diesem Land für Recht und Sicherheit", sagte Steinmeier. Er teile die Trauer über den Tod eines Chemnitzer Bürgers, aber wer Sicherheit und gesellschaftlichen Frieden wolle, dürfe nicht selbsternannten Rächern hinterherlaufen. Die Kanzlerin sagte, es dürfe "auf keinem Platz und keiner Straße zu solchen Ausschreitungen kommen".

Die sächsische Polizei räumte inzwischen ein, dass sie die Gefahrenlage in Chemnitz unterschätzt und am Montag zu wenig Beamte eingesetzt habe. Man habe nicht mit einem so großen Gewaltpotenzial gerechnet, sagte ein Sprecher. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bot Sachsen "polizeiliche Unterstützungsmaßnahmen" des Bundes an. Am Montagabend marschierten etwa 6000 zum Teil gewaltbereite rechte Demonstranten unbehelligt durch die sächsische Stadt. Die Polizei hatte 591 Beamte im Einsatz. Rechtsextreme und gewaltbereite Hooligans waren nach Polizeiangeaben aus dem gesamten Bundesgebiet angereist. Es kam zu Gewalttaten, 20 Menschen wurden verletzt. Gegen mehrere Demonstranten wird ermittelt, sie sollen den Hitlergruß gezeigt haben. An einer Gegendemonstration nahmen etwa 1500 Menschen teil.

Laut Bild-Zeitung soll der Verfassungsschutz Sachsen die Polizeidirektion Chemnitz am Montagmittag per Fax vor einer größeren rechtsextremistischen Demonstration gewarnt haben.

In Dresden sagte Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), Sachsen führe einen entschiedenen Kampf gegen Rechtsextremismus. "Es sind nicht die Chemnitzer, es sind nicht die Sachsen, es sind Extremisten, denen wir alle miteinander den Kampf ansagen", betonte Kretschmer. Der Christdemokrat wies Vorwürfe zurück, wonach seine Partei für das Erstarken des Rechtsextremismus in Sachsen mitverantwortlich sei. Zuletzt warfen unter anderem die Linke und die FDP der sächsischen CDU vor, das Problem des Rechtsextremismus seit Jahren verharmlost zu haben.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki sieht eine Mitverantwortung für die Vorfälle bei der Bundeskanzlerin. "Die Wurzeln für die Ausschreitungen liegen im 'Wir-schaffen-das' von Kanzlerin Angela Merkel", sagte der FDP-Vize dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Wie sollen sich Menschen fühlen, die glauben, alles, was ihnen jahrelang vorenthalten oder gestrichen wurde, werde auf einmal Flüchtlingen gewährt?"

, wird Kubicki zitiert. Chemnitz kommt nicht zur Ruhe, seit am Sonntag am Rande des Stadtfestes ein 35 Jahre alter Mann getötet wurde. Rechtsextreme riefen danach zu Demonstrationen auf. Inzwischen wurden gegen einen 23 Jahre alten Syrer und einen 22-jährigen Iraker Haftbefehle wegen Verdacht auf Totschlag vollstreckt. Die Hintergründe der Tat sind noch unklar.

© SZ vom 29.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: