CDU im Umfrage-Tief:Angela Merkel - abhängig von Demoskopen

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Umfragen werden zum Gespenst für Kanzlerin Angela Merkel. In der Union wächst die Sorge, dass es wieder wie 2005 nicht reicht für Schwarz-Gelb. Schon versuchen gestandene Christdemokraten wie Koch und Pofalla, die letzten Getreuen zu mobilisieren. Alle warnen vor der großen Koalition.

Da hat es der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) der aktiven politischen Klasse mal wieder so richtig gegeben. Er warf seinen Sozialdemokraten und der CDU "Feigheit vor den Meinungsumfragen" vor. Die Regierungsparteien hätten verteidigen können. was sie gemeinsam getan haben. Themen, die die Menschen sehr berühren, so der Zeit-Herausgeber, würden nicht wirklich behandelt.

Nervös in den Wahlkampf-Endspurt: Der Vorsprung für Merkels Wunschkoalition mit der FDP schwindet immer mehr. (Foto: Foto: Reuters)

Tatsächlich haben sich die führenden Politker den Demoskopen ergeben. Allen voran die Kanzlerinpartei.

Sie werden nervös. Das große Zittern beginnt wieder bei Angela Merkel und ihrer CDU. Wird der Vorsprung in den Umfragen halten bis zur Bundestagswahl am Sonntag? Die Kanzlerin leidet unter dem Trauma von 2005, als ihr wölfischer Widersacher Gerhard Schröder mit einer Grob-Kampagne Erfolg hatte.

Ein Schröder ist SPD-Kandidat Frank-Walter Steinmeier nicht. Und doch schmilzt bei den Demoskopen der Vorsprung einer schwarz-gelben Koalition, Merkels Wunschformation. Schon appelliert der CDU-Vize und hessische Ministerpräsident Roland Koch an seine Partei, mehr Einsatz zu zeigen: "Niemand sollte glauben, dass wir die Bundestagswahl von der Zuschauertribüne aus gewinnen", erklärte er im Hamburger Abendblatt. Das gelte für jeden einzelnen CDU-Anhänger genauso wie für die CDU-Führung.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla wirkt auch alles andere als zuversichtlich. "Es war immer klar, dass es ein knappes Rennen wird", sagt er, die Wahl werde auf der Schlussgeraden entschieden. Am morgigen Donnerstag will Pofalla das Signal für eine "72-Stunden-Schlusskampagne" der CDU geben. Seine Partei wolle um jede Stimme kämpfen.

Die Zahlen der Meinungsforscher ängstigen die Strategen der Union offenbar - auch vor dem Hintergrund, dass rund ein Viertel der Wähler noch nicht weiß, was es wählen wird. Nach dem aktuellen "Stern-RTL-Wahltrend" kann die Union nur noch mit 35 Prozent der Stimmen rechnen - zwei Punkte weniger als in der Umfrage, die der Stern und RTL direkt nach dem TV-Duell zwischen Merkel und Steinmeier durchführen ließen. Die Liberalen kommen auf 13 Prozent, beide gemeinsam könnten 48 Prozent erzielen. Dagegen sieht das Handelsblatt laut einer Umfrage der Berliner Info GmbH die Allianz nur bei 46 Prozent. Die SPD käme mit den Grünen und den Linken auf 49 Prozent. "Schwarz-Gelb geht die Puste aus", titelt das Wirtschaftsblatt.

"Dramatisch" fällt laut dem Institut Info GmbH die Wende bei der Frage aus, welche Koalition in Deutschland erwartet werde. Schwarz-Rot schießt demnach von 25 auf 43 Prozent, Schwarz-Gelb sackt von 47 auf nur noch 32 Prozent. Gleichzeitig ergehen sich die Vertreter der großen Koalition in Missfallensbekundungen gegenüber einer Verlängerung ihrer Arbeit. Das Nervenkostüm der Fraktionen sei "angespannt", hat Steinmeier beobachtet, die Bereitschaft in beiden Parteien, noch einmal eine große Koalition einzugehen, ist "gering".

Bei einer Umfrage des Allensbach-Instituts liegt Schwarz-Gelb immerhin mit 48,5 Prozent noch vorn; 35 Prozent entfallen auf die Union. Die SPD erreicht demnach 24 Prozent, die Linken schaffen 11,5 Prozent und die Grünen elf Prozent. Ein auffälliger Unterschied zu 2005 sei die "stabile Unschlüssigkeit" der Wähler, so Institutschefin Renate Köcher.

CDU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach treibt erkennbar die Angst vor dem Flop um. "Den Leuten ist schon die Sorge anzumerken, dass es für Schwarz-Gelb nicht reicht." Und der Koalitionspartner in spe, die FDP, erkennt, dass die "eindimensionale Wirtschaftspolitik" der Union ein Schuss in den Ofen sein könnte. CDU/CSU hätten es versäumt, in die Zukunft zu investieren und eine Forschungsoffensive zu fahren: "Ludwig Erhard hätte sich nicht nur auf Warnen und Mahnen beschränkt." Das geht gegen Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), den angeblichen Superstar des Kabinetts.

Viel Arbeit also für Kanzlerin Merkel, die präsidiale Wahlkämpferin, die in Adenauers Nostalgie-Zug ( Rheingold-Express) jüngst besonders glücklich schien. In der Bevölkerung hat sie deutlich an Sympathie verloren. Wenn die Deutschen ihren Regierungschef direkt wählen könnten, würden sich nach dem "Stern-RTL-Wahltrend" nur noch 49 Prozent für sie entscheiden, das sind sieben Punkte weniger als vor neuen Tagen. Steinmeier konnte sich um zwei Punkte auf 26 Prozent steigern.

Merkel setzt im Finish auf schöne Bilder aus Pittsburgh. Sie trifft auf dem G-20-Gipfel die wichtigsten Staats- und Regierungschefs der Welt. Sie wird dann neben Barack Obama, Nicolas Sarkozy und all den anderen Top-Politikern zu sehen sein und Maßnahmen gegen die Finanzkrise verkünden. Sie wird noch einmal die große Pragmatikerin sein, die Erste einer Politik der kleinen Schritte ist. An diesem Mittwoch, vor dem US-Trip, redet sie in Bad Kissingen und in Wuppertal und am Samstag heizt sie dann ihren Fans bei der CDU-Abschlusskundgebung in der Berliner "Arena Treptow" ein.

Steinmeier dagegen kann nicht mit dem Faktor Pittsburgh punkten. Er reist bis Samstag durch Deutschland: von Hamburg, Trier, Regensburg, Berlin, Dresden nach Detmold, in seine westfälische Heimat. Vielleicht meldet sich sein früherer Chef Schröder noch einmal zu Wort, aus Spaß an der wachsenden Nervosität der Union. Man weiß ja nie. Vielleicht kann er helfen, dass Steinmeier Außenminister in einer schwarz-roten Koalition bleibt.

Das aber wäre wohl der Anfang vom Ende der Angela Merkel.

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