Bundeswehrverband warnt vor Überlastung:Deutschen Soldaten droht der Burnout

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Dienst als Dauerprovisorium: Der Bundeswehrverband beklagt, deutsche Soldaten würden durch immer neue Reformen in noch nie dagewesenem Maße belastet. Viele Soldaten hätten das Vertrauen in die politische Führung verloren und würden die Truppe deshalb verlassen.

Die aktuelle Reform der Streitkräfte ist für viele deutsche Soldaten laut Bundeswehrverband eine noch nie da gewesene Belastungsprobe. Denn bereits seit mehr als 20 Jahren werde die Bundeswehr transformiert oder umstrukturiert, kritisierte Verbandschef Ulrich Kirsch in Berlin. Deshalb sei der Dienst bereits zu einem Dauerprovisorium geworden.

Ein Isaf-Soldat der Bundeswehr sichert in Afghanistan eine Aufklärungsmission: Die aktuelle Reform der Streitkräfte ist für viele deutsche Soldaten laut Bundeswehrverband eine noch nie da gewesene Belastungsprobe. (Foto: dapd)

Zu Frust und Erschöpfung kämen jetzt noch die ständige Unruhe und die Anspannung hinzu, was die nächste Reform bringen werde. "Insgesamt führt dies zu Motivationsverlust und senkt die Effektivität - klassische Symptome eines Burnouts", erklärte Kirsch.

Damit die Soldaten die geplante Umstrukturierung als Chance erleben könnten, müssten bereits jetzt Signale an die Soldaten gesendet werden und nicht erst nach der Feinausplanung der Reform. Ein solches Signal könnte ein höherer finanzieller Ausgleich für Überstunden sein, sagte der Oberst.

Die Vergütung von heute 2,50 Euro pro Stunde sollte auf das Doppelte angehoben werden. Darüber hinaus müsse es dauerhaft und nicht nur bis 2014 ein Wahlrecht zwischen Umzugskostenvergütung und Trennungsgeld geben. Und schließlich bräuchten die Menschen trotz sinkender Personalstärke eine Laufbahnperspektive.

Vor zwei Wochen hatte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) die geplante Grobstruktur der Truppe vorgestellt. Nach der Reform soll die Bundeswehr nur noch 185.000 statt bisher 220.000 Soldaten umfassen. In drei Wochen (26. Oktober) will der Minister die daraus folgenden Entscheidungen über Standorte bekannt geben.

Der Chef des Bundeswehrverbandes Ulrich Kirsch beklagt einen Motivationsverlust bei den Soldaten durch die Bundeswehrreform. (Foto: APN)

Planungssicherheit verlangt

Noch wisse niemand, wie es konkret weiter gehe, sagte der Oberst. "Doch verlangt der Arbeitgeber durchgehend höchste Einsatzbereitschaft - bis hin zum Einsatz der eigenen Gesundheit und des eigenen Lebens." Die Menschen brauchten Planungssicherheit. Immer mehr Soldaten verlören das Vertrauen in die Reform und in die politische Führung, sagte Kirsch. "Zu viele Menschen aus unserer Sicht wollen die Truppe deswegen verlassen." Wie viele genau es seien, wisse er nicht, auch nicht, wie vielen der Burnout drohe. "Wir kennen die Zahl nicht, weil sie in einer Grauzone liegt", sagte der Oberst.

Als "bemerkenswert" nannte er die Planung, trotz des massiven Truppenabbaus kaum Fähigkeiten aufgeben zu wollen. "Das bedeutet im Umkehrschluss: Weniger Menschen müssen die gleiche Aufgabenfülle abarbeiten." Kirsch plädierte für eine europäische Lastenverteilung. Auch sei es als Konsequenz aus dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr nicht klug, die klassische Infanterie zu stärken. Verstärkt werden müssten vielmehr Spezialkräfte wie Fallschirmjäger und Gebirgsjäger.

Zur Aussetzung der Wehrpflicht sagte Kirsch, das sei "auch politisch unglücklich gelaufen". Über einen ganz kurzen Zeitraum hinweg hätten sich die Streitkräfte dadurch völlig verändert. Zum 1. Juli war nach mehr als 50 Jahren die Wehrpflicht offiziell ausgesetzt worden. An die Stelle des für Männer verpflichtenden Dienstes trat ein freiwilliger Wehrdienst sowie ein freiwilliger Ersatz für den bisherigen Zivildienst.

Der Bundeswehrverband vertritt die Interessen von über 200.000 aktiven und ehemaligen Soldaten sowie von Familienangehörigen und Hinterbliebenen.

© sueddeutsche.de/dapd/AFP/segi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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