Bundeswehr:Von der Leyen nennt Bewertung von sexuellem Übergriff "abenteuerlich"

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Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will sexuelle Übergriffe bei der Bundeswehr nicht dulden - auch wenn sie angeblich nur "Interesse signalisieren". (Foto: AFP)
  • Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat sich in ein Verfahren wegen sexueller Belästigung in der Bundeswehr eingeschaltet.
  • Sie wendet sich gegen die Wortwahl, mit der die Einstellung des Verfahrens begründet wurde.
  • Ein Soldat hatte einer Kameradin an den Po gefasst - das wertete die Staatsanwaltschaft als bloßes "Imponiergehabe".

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat sich persönlich in die Aufarbeitung eines Falls sexueller Belästigung in der Bundeswehr eingeschaltet. In einem an diesem Dienstag auf der Internetseite des Ministeriums veröffentlichten offenen Brief kritisiert sie die Begründung für die Einstellung des Verfahrens als "inakzeptabel".

Nach Angaben der Ministerin wurde die betroffene Soldatin "von einem Kameraden körperlich bedrängt und sexuell belästigt". Der Vorfall und die Reaktion darauf haben nach Angaben des Ministeriums nichts mit den am Montagabend bekannt gewordenen Vorfällen bei den Gebirgsjägern in Bad Reichenhall zu tun.

Von der Leyen distanziert sich klar von der Einstellungsbegründung

Von der Leyen wurde demnach von einer militärischen Gleichstellungsbeauftragten auf den Fall der Soldatin hingewiesen. Diese hatte Anzeige erstattet, das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft laut von der Leyen mit folgender Begründung - gerichtet an die Betroffene - jedoch eingestellt. "Bei dem von Ihnen beschriebenen 'Imponiergehabe' des Beschuldigten (Posen, Muskelspiel, Aufforderung zum Sex, Griff an das Gesäß) ist jedoch nach allgemeinem (vorwiegend männlichem) Verständnis davon auszugehen, dass der Beschuldigte sein 'Interesse' an Ihnen damit kundtun und nicht, dass er Sie beleidigen wollte."

Von der Leyen schreibt zur Einstellung des Verfahrens: "Zu der Bewertung kann sie als unabhängige Behörde kommen". Völlig inakzeptabel sei allerdings die Wortwahl der Begründung. Von der Leyen nannte die Interpretationen "abenteuerlich und aus der Zeit gefallen". Denn mit dieser Einschätzung bedeute die Staatsanwaltschaft letztendlich einer Soldatin, sie müsse sich übergriffiges und unverschämtes Verhalten von Kameraden gefallen lassen, weil ein Griff ans Gesäß nach "vorwiegend männlichem Verständnis" nicht beleidigend gemeint sei.

ExklusivBundeswehr
:Sexuelle Übergriffe bei Gebirgsjägern

In Bad Reichenhall sollen unter anderem Vorgesetzte einen Soldaten verbal diskriminiert und sexuell belästigt haben. Ermittelt wird gegen 14 Personen.

Von Christoph Hickmann

Solche Interpretationen zerstörten das Vertrauen von Opfern sexueller Übergriffe, an übergeordneter Stelle Verständnis und Schutz zu finden. Und es signalisiere potenziellen Tätern, dass Übergriffe schon okay seien, wenn es "nur" darum gehe, "Interesse" an einer Frau oder einem Mann zu bekunden.

Unabhängig von der Einschätzung ziviler Instanzen bewertete die Ministerin den Fall als "groben Verstoß gegen die Pflicht zur Kameradschaft". Sie dulde in der Bundeswehr kein Verhalten, das die Würde, die Ehre und die Rechte auf sexuelle Selbstbestimmung von Soldatinnen oder Soldaten und der zivilen Beschäftigten verletze.

Weitere Übergriffe bei der Bundeswehr

In der Bundeswehr sind gerade in jüngster Zeit immer wieder Fälle schlimmster Erniedrigungen und massiver sexueller Übergriffe bekannt geworden. In Bad Reichenhall bei den Gebirgsjägern laufen nach SZ-Informationen derzeit Ermittlungen gegen 14 Beschuldigte, die einen Soldaten diskriminiert und sexuell belästigt und genötigt haben sollen.

Erst Ende Januar war bekannt geworden, dass es in einer Ausbildungskaserne in Pfullendorf herabwürdigende und sexuell erniedrigende Praktiken und Aufnahmerituale gegeben haben soll. Von der Leyen hatte dies auch als Ausdruck von Führungsversagen kritisiert und als Zeichen dafür gewertet, dass der Umgang miteinander in der Truppe "kein Randthema" sei.

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