Bundeswehr:Ministerin kritisiert ihre Truppe

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Ursula von der Leyen findet deutliche Worte. Der terrorverdächtige Offizier war schon 2014 mit einer rechtslastigen Masterarbeit aufgefallen. Das blieb aber ohne Konsequenzen für ihn.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Vor dem Hintergrund neuer Details im Fall eines terrorverdächtigen Offiziers hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) der Bundeswehr ein "Haltungsproblem" attestiert. Zudem gebe es in der Truppe "offensichtlich eine Führungsschwäche auf mehreren Ebenen", sagte die Ministerin im ZDF und stellte den Fall in eine Reihe mit den zuletzt bekannt gewordenen Fällen von Demütigungen sowie übertriebener Härte etwa an den Standorten Pfullendorf und Sondershausen. Hier müsse man "konsequent" ansetzen. Zuvor war bekannt geworden, dass der in der vergangenen Woche festgenommene Oberleutnant, anders als bislang angegeben, in der Truppe schon 2014 wegen rechtsextremen Gedankenguts aufgefallen war - ohne Folgen für seine Laufbahn.

Wie aus Militärkreisen zu erfahren war, studierte der Verdächtige 2013 an der französischen Militärakademie Saint-Cyr und verfasste eine Masterarbeit mit dem Titel "Politischer Wandel und Subversionsstrategie". Die zuständigen Dozenten lehnten die Annahme ab: Die Arbeit enthalte rechtsextremistisches Gedankengut. Anfang 2014 leitete der damalige Disziplinarvorgesetzte des Soldaten, ein deutscher Offizier, disziplinarrechtliche Vorermittlungen ein. Doch dem Soldaten gelang es, sowohl die Dozenten als auch seinen Vorgesetzten und das Streitkräfteamt davon zu überzeugen, dass es sich keineswegs um sein eigenes Gedankengut handele - obwohl ein Kurzgutachten zum Ergebnis kam, die Arbeit enthalte Elemente völkischen und extremistischen Denkens. Trotzdem wurden die Ermittlungen eingestellt. Der Vorgang landete nicht in der Personalakte des Soldaten, der stattdessen eine neue Arbeit verfasste. Auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) wurde nicht informiert.

In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass sich der 28 Jahre alte Oberleutnant eine zweite Identität als syrischer Flüchtling zugelegt hatte. Obwohl er sich bereits Ende 2015 bei einer Behörde als Flüchtling ausgegeben hatte, begannen Ermittlungen gegen ihn erst in diesem Jahr. Auslöser war eine Festnahme Anfang Februar, als der Soldat in Wien eine Pistole aus einem Versteck holen wollte, in dem er sie deponiert hatte. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er "eine schwere staatsgefährdende Straftat" plante. Bei der Pistole handelte es sich um ein Fabrikat aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Am Wochenende wurde zudem bekannt, dass der Verdächtige offenbar eine Liste mit möglichen Anschlagsopfern führte. Darauf stand unter anderem der Name einer Berliner Linken-Abgeordneten.

Derzeit beleuchten Bundeswehr-Ermittler das militärische Umfeld des Verdächtigen. Auf von der Leyens Äußerungen zum "Haltungsproblem" reagierten der Koalitionspartner SPD und die Opposition mit Kritik. "Eine Ministerin, die auf der Zuschauertribüne sitzt und lediglich von oben herab bewertet, hat selbst ein Haltungsproblem", sagte der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold. Von der Leyen sei "eine reine Ankündigungsministerin". Die Grünen-Abgeordnete Agnieszka Brugger sagte, die Ministerin versuche "sich über möglichst markige Verurteilungen billig aus der Verantwortung zu stehlen".

© SZ vom 02.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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