Bundeswehr:Hochauflösend

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Ohne Luftbilder der Bundeswehr kann der IS nicht besiegt werden - Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer besucht die Truppe in Jordanien.

Von Mike Szymanski, Al-Azraq/Bagdad

Bleiben oder gehen? Annegret Kramp-Karrenbauer macht sich im Bundeswehr-Camp in Al-Azraq ein Bild von der Notwendigkeit des Einsatzes. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

So könnte die Marsoberfläche aussehen. Für den ungeübten Betrachter zeigt das Luftbild nur eine trostlose Landschaft. Karge Böden, ein paar sanfte Hügel vielleicht. Keine Straßen, keine Häuser. Bekommt Oberst Gero von Fritschen, 48 Jahre alt und Kommandeur, von seinen Auswertern Bilder wie diese auf den Tisch gelegt, wird daraus womöglich ein Auftrag. Ein größerer schwarzer Punkt genügt schon, um seine Aufmerksamkeit zu wecken. Eine Höhle? Vielleicht ein Versteck der Extremistenmiliz Islamischer Staat? Gut möglich. Zur Klarheit müssen die deutschen Tornados in solchen Fällen abermals in den Himmel über dem Irak und Syrien aufsteigen und weitere Aufnahmen liefern.

Camp Sonic, das Lager der Bundeswehr in Jordanien bei Al-Azraq. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer beobachtet bei ihrer ersten Reise in Einsatzgebiete der Truppe den Kampf gegen die Terrororganisation IS. Seit Oktober 2017 beteiligt sich die Bundeswehr daran von Jordanien aus, mit knapp 300 Soldaten, vier Tornado-Aufklärungsjets und einem Tankflugzeug. Im Irak sind zusätzlich deutsche Militärausbilder stationiert.

Das Mandat läuft Ende Oktober aus. Aber dieses Mal ist es ungewiss, ob sich noch einmal eine Mehrheit im Bundestag findet, um den Einsatz fortzusetzen. Kramp-Karrenbauer will das unbedingt. Auch weil Deutschland immer wieder vorgeworfen wird, sich international bei solchen Einsätzen zu wenig einzubringen. Doch der Koalitionspartner SPD sperrt sich. Auch die Opposition will raus aus dem Einsatz. "AKK" gegen alle. Sie sagt: "Es wäre ein Schlag für die Mission, wenn sich Deutschland zurückzieht." Auch Generalmajor Christopher Ghika, stellvertretender Kommandeur der Anti-IS-Mission, nennt den Beitrag der Deutschen "fundamental wichtig". Ein Rückzug Deutschlands würde dem Einsatz einen "signifikanten Schlag" versetzen.

Der IS ist nicht besiegt. Er droht, im Untergrund wieder zu erstarken

Der IS gilt zwar als militärisch geschlagen. Besiegt ist er nicht. Er hat seine Hochburgen verloren und sich in den Untergrund zurückgezogen - droht dort aber wieder zu erstarken. Bis Frühjahr hatte die internationale Anti-IS-Koalition versucht, vor allem mit Luft-Boden-Einsätzen die Extremisten aus ihren Stellungen zu verdrängen. "Die letzten großen Gefechte sind geführt", sagt Fritschen. Nun gehe es um "gezielte Zugriffe" - und da komme der Beitrag der Deutschen ins Spiel.

Sie lieferten mit ihren hochauflösenden Kameras, die an den Kampfjet angebracht sind, die besten Aufnahmen. Und beim Auswerten der Bilder, da gibt sich Fritschen unbescheiden, seien die Deutschen nun einmal im Kreis der Verbündeten ganz weit vorne. "Wir liefern eine Kernfähigkeit", sagt der Oberst. Von der Bundeswehr kommt mittlerweile die Hälfte aller Aufklärungsbilder aus Jets. Daneben fliegen noch die Franzosen und Italiener zur Aufklärung. Über Syrien sind die Deutschen nahezu die Einzigen, die fliegen.

Die SPD fühlt sich angesichts der neuen Debatte um eine Verlängerung hinters Licht geführt. Sie hatte sich unter großen Schmerzen in diesen Einsatz begeben. Seit fünf Jahren unterstützt Deutschland den Anti-Terror-Kampf in der Region. Der Schwerpunkt la g am Anfang auf der Ausbildung und Ausrüstung kurdischer Peschmerga-Kämpfer - auch mit Waffen. Es müsse aber auch einmal ein Einsatz zu einem Ende geführt werden, wenn sich die Lage geändert habe, argumentierte die SPD. Der kommissarische Fraktionschef Rolf Mützenich spricht inzwischen von einem "angemessenen Beitrag", der geleistet worden sei. Nun sei es auch mal genug. Bündnispolitische Erwägungen allein genügten nicht, seitdem mit Präsident Donald Trump "ein Rassist im Weißen Haus" sitze, der sich durch "Unberechenbarkeit und Egoismus" auszeichne, wie Mützenich in diesem Zusammenhang vor den Abgeordneten des Bundestags ausführte.

Mit der Union war schon fest verabredet, den Einsatz auslaufen zu lassen. Dies erklärte auch die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) so, als vor einem Jahr das Mandat verlängert wurde. Letztmalig, wie es hieß. Die Ministerin lobte noch, dass nun Planungssicherheit herrsche und es genügend Zeit gebe, andere Partner zu gewinnen, die für Deutschland einspringen könnten. Aber passiert ist offenbar nichts. Jedenfalls räumt Fritschen ein, bislang sei "vollkommen ungeklärt", wie die Lücke geschlossen werden könnte. "Kurzfristig" sei jedenfalls niemand dazu in der Lage. Dies kommt etwas überraschend für die beiden SPD-Abgeordneten, die Kramp-Karrenbauer in der Delegation begleiten. Nils Schmid und Siemtje Möller sollen bei dieser Reise überzeugt werden, ihre Fraktionskollegen in Berlin doch noch umzustimmen.

Die Tornados im Einsatz belassen und dafür die Ausbilder abziehen - auch davon ist die Rede, wenn es darum geht, der SPD im Streit entgegenzukommen. Aber eine solche Entscheidung dürfte Kramp-Karrenbauer nach diesem Besuch kaum leichtfallen.

© SZ vom 21.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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