Bundeswehr:Freiwillige vor!

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So wie diese Bundeswehr-Soldaten, die bei Corona-Test halfen, sollen 1000 Freiwillige von April 2021 an im Heimatschutz eingesetzt werden. (Foto: David Inderlied/dpa)

Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer will 1000 junge Leute für ein "Deutschlandjahr" gewinnen. Sozialverbände fürchten Konkurrenz.

Von Mike Szymanski, Berlin

Das von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) angekündigte neue Freiwilligenjahr bei der Bundeswehr startet vorerst auf niedrigem Niveau. Von April 2021 an will sie zunächst bis zu 1000 Männer und Frauen dafür qualifizieren, nach einer militärischen Grundausbildung für den Heimatschutz eingesetzt zu werden. Dabei geht es etwa um Hilfe bei Schneekatastrophen, Hochwasser oder - wie jetzt - den Einsatz in der Coronakrise. Für den Zeitraum von sechs Jahren sollen sie, ebenfalls auf freiwilliger Basis, für den Reservedienst herangezogen werden können. Zwölf Monate Dienst bei der Bundeswehr sind insgesamt vorgesehen, das Ministerium bewirbt das neue Angebot als "Dein Jahr für Deutschland". Es ist Kramp-Karrenbauers Reaktion auf die immer wieder aufflammende Debatte über eine Rückkehr zu Wehrpflicht. Vor kurzem hatte sich die neue Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, dafür ausgesprochen.

Kramp-Karrenbauer hatte noch in ihrer Zeit als Generalsekretärin der CDU die Diskussion selbst angestoßen und ausführlich mit Parteikollegen geführt. Gerade in der Anhängerschaft der CDU trauern viele der Wehrpflicht, die 2011 ausgesetzt worden ist, bis heute nach. Kramp-Karrenbauer, mittlerweile CDU-Chefin, ist selbst Anhängerin eines verpflichtenden Dienstjahres, sieht derzeit unter anderem wegen verfassungsrechtlicher Hürden wenig Chancen, dies umsetzen zu können. Völlig aufgegeben hat sie die Idee jedoch nicht: "Wohin die Debatte zur Dienstpflicht führen wird, das werden die nächsten Jahre zeigen", sagte sie am Donnerstag bei der Präsentation des Konzeptes für ihr "Deutschlandjahr". Ein solcher Dienst sei, so die Ministerin, "der Kitt, der die Gesellschaft in schwierigen Zeiten zusammenhält". Er ergänzt bereits bestehende Angebote an Leute, die sich freiwillig bei der Bundeswehr engagieren wollen und legt den Fokus auf den Heimatschutz und die Reserve.

Auslandseinsätze sind bei diesem Modell ausgeschlossen. In der Vergangenheit haben sich nach Angaben der Ministerin immer wieder junge Männer und Frauen für einen freiwilligen Dienst bei der Bundeswehr interessiert, aus Sorge, in Konfliktgebieten eingesetzt zu werden, dann aber von der Idee Abstand genommen.

Anders als beim bereits etablierten Freiwilligen Wehrdienst, den im Jahr etwa 8000 Männer und Frauen absolvieren, der bis zu 23 Monate vorsieht und auf eine Laufbahn bei der Bundeswehr vorbereiten soll, bekommen die Rekruten des neuen Programms nur die nötigsten militärischen Fähigkeiten vermittelt. Dazu zählt der Umgang mit Pistolen und Gewehren aber nicht die Ausbildung an komplexen Waffensystemen. Im Krisenfall sollen sie als "Sicherungs- und Schutzsoldaten" in der Lage sein, etwa kritische Infrastruktur wie Kraftwerke verteidigen zu können. Über Deutschland verteilt hält die Bundeswehr sogenannte Sicherungs- und Unterstützungskompanien vor, in denen die Freiwilligen später dann ihren Reservedienst ableisten sollen und bei Naturkatastrophen alarmiert werden. Die Spezialausbildung für Aufgaben des Heimatschutzes erfolgt zentral an drei Standorten, entweder in Berlin, in Delmenhorst bei Bremen oder im fränkischen Wildflecken.

In der Coronakrise hat sich die Bedeutung der Reservisten für die Bundeswehr gezeigt. Die Ministerin hatte sie gezielt aufgefordert, sich zu melden um etwa in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen auszuhelfen. Insgesamt konnte die Bundeswehr die an sie gestellten Anforderungen erfüllen, hätte es aber in dieser Zeit zusätzlich noch ein schweres Hochwasser oder andere Katastrophen gegeben, wäre es der Ministerin zufolge eng geworden.

Kritik am Konzept kommt von Wohlfahrtsverbänden und aus der Opposition. "Bei allem Respekt vor neuen Ideen und vor dem Schutz der Heimat sollten wir nicht vergessen, dass es bereits gute Angebote gibt, sich im Sinne des gesellschaftlichen Zusammenhalts einzubringen", sagte Caritas-Präsident Peter Neher dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte, es fehle der Bundeswehr nach wie vor an einer "vernünftigen materiellen Ausstattung und einem effizienten Beschaffungswesen", nicht an Angeboten für Freiwillige.

© SZ vom 24.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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