Bundeswehr:Drohnen-Pirouetten in der Koalition

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Eine "Heron TP"-Drohne bei einer Flugschau 2018 in Berlin-Schönefeld. Airbus stellt die israelische Drohne der Bundeswehr zur Verfügung. (Foto: Sean Gallup/Getty Images)

Die Debatte über die Bewaffnung von Drohnen entzweit nicht nur die Koalitionspartner CDU und SPD, sie bringt auch die Sozialdemokraten in Erklärungsnot: Ihnen wird vorgeworfen, eine Entscheidung aus wahltaktischen Gründen zu verschleppen.

Von Daniel Brössler, Berlin

Im Streit über die Bewaffnung von Bundeswehr-Drohnen verschärft sich der Ton in der Koalition. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak warf SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz Unzuverlässigkeit vor. "Wenn sich Olaf Scholz nach jahrelanger Debatte ganz plötzlich um eine klare Entscheidung drückt, ist das ein drastisches Zeichen von Führungsschwäche neun Monate vor der Bundestagswahl", sagte Ziemiak der Deutschen Presse-Agentur. Offensichtlich sei "ausgerechnet mit Olaf Scholz nun außen- und sicherheitspolitische Unzuverlässigkeit neuer Markenkern der SPD". Die SPD werfe die "Frage ihrer Regierungsfähigkeit auf", kritisierte der Außenpolitiker und Bewerber um den CDU-Vorsitz, Norbert Röttgen.

Scholz hatte zuvor die Entscheidung der SPD-Fraktion im Bundestag verteidigt, eine eigentlich geplante Entscheidung über die Bewaffnung unbemannter Flugzeuge noch einmal aufzuschieben. Es gehe "weniger um die eigentliche Technologie, also die Fernsteuerung von bewaffneten Fluggeräten, sondern darum, wie diese Drohnen von anderen, auch befreundeten Ländern, in den vergangenen Jahren genutzt worden sind", sagte Scholz der Funke-Mediengruppe. Gezielte Tötungen hätten schwere völkerrechtliche Fragen aufgeworfen. Die SPD wolle eine breite öffentliche Debatte, um herauszufinden, ob sich längerfristig ein gesellschaftlicher Konsens erzeugen lasse. Das werde "seine Zeit brauchen".

Debatte über Drohnen-Bewaffnung seit fast zehn Jahren

Die Bundeswehr setzt Drohnen bisher nur zu Aufklärungszwecken ein, etwa in Afghanistan oder Mali. Nun geht es darum, ob die neuen Drohnen vom Typ Heron TP, die 2022 von Israel an die Bundeswehr ausgeliefert werden sollen, bewaffnet werden sollen. Die Debatte über die Bewaffnung von Drohnen wird in Deutschland seit fast zehn Jahren geführt.

Zu Wort meldeten sich in der SPD am Wochenende verstärkt auch die Befürworter der Bewaffnung. "Mit den Einsatz-Richtlinien haben wir einen Gold-Standard vorgelegt, hinter dem keine Bundesregierung zurückbleiben kann. Unter diesen Regeln ist eine Bewaffnung von Drohnen zum Schutz der Soldaten sinnvoll", sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Nils Schmid, der Süddeutschen Zeitung. Die Kritik an der Vertagung der Entscheidung wies Schmid als "überzogen" zurück. Die verteidigungspolitische Verlässlichkeit der SPD stehe außer Frage. Die Partei stehe zu den schwierigen Einsätzen wie in der Sahelzone, gegen den "Islamischen Staat" und in Afghanistan.

Sigmar Gabriel kritisiert SPD-Führung

Auch Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sprach sich für die Bewaffnung von Bundeswehr-Drohnen aus. "Wenn es Material gibt, das zum Schutz deutscher Soldaten und Soldatinnen im Ausland wirklich erforderlich ist, sollte man es den Soldaten auch zur Verfügung stellen", sagte Maas. Er akzeptiere aber, wenn Teile des Parlaments der Auffassung seien, "dass das noch nicht ausdiskutiert ist". Er habe "schon oft die Erfahrung gemacht, dass schwierige Prozesse zu langwierigen Diskussionen führen". Er halte es aber für "richtig und nachvollziehbar", Drohnen nicht nur zur Aufklärung einzusetzen, sondern auch zum Schutz von Soldaten.

Eine Entscheidung über die Anschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr noch in dieser Legislaturperiode gilt mittlerweile als fast ausgeschlossen. Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans und Fraktionschef Rolf Mützenich hatten Anfang der Woche weiteren Diskussionsbedarf angemeldet. Dies rief nicht nur Empörung bei CDU und CSU hervor, sondern veranlasste auch den verteidigungspolitischen Sprecher der SPD im Bundestag, Fritz Felgentreu, zum Rücktritt. Zur Begründung verwies er auf die Verantwortung für die Soldaten der Bundeswehr. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Wolfgang Hellmich (SPD), betonte, bewaffnete Drohnen könnten in Kriegsgebieten dazu beitragen, versehentliche Angriffe auf Zivilisten zu vermeiden, weil sie viel langsamer flögen als bemannte Kampfflugzeuge und länger in der Luft bleiben könnten.

Der frühere SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel nahm die Vertagung der Entscheidung zum Anlass für heftige Kritik an der Parteiführung. Er sehe den "Versuch einer taktischen Vertagung des Themas bis nach den kommenden Bundestagswahlen", schrieb er im Tagesspiegel. "Diese Art präventiver innerparteilicher Wundversorgung soll gewiss auch die herbeigeträumte Koalition mit der Partei Die Linke erleichtern", kritisierte Gabriel.

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