Bundestag:Generalabrechnung

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"Die Opposition ist ein Bestandteil des Staatslebens": SPD-Chef Kurt Schumacher (ganz rechts am Rednerpult) hatte die allererste Generaldebatte des Bundestags eröffnet; auf der Regierungsbank Bundeskanzler Konrad Adenauer . (Foto: picture-alliance/dpa)

Warum die Opposition die Beratungen über den kleinen Kanzleretat zur großen Aussprache über die Regierungspolitik nutzt.

Von Reymer Klüver

Debattiert wird im Bundestag bekanntlich ständig. Doch Generaldebatten sind etwas Besonderes. Traditionell sind die Haushaltsberatungen, wenn im Plenum über den Etat diskutiert wird, Anlass für eine Generaldebatte. Genauer gesagt ist es der Tag, an dem der Bundestag über den Etatposten des Kanzleramts berät, an dem die Generaldebatte angesetzt wird. Dabei ist der Kanzleretat im Vergleich etwa zum Riesenhaushalt des Sozialministers oder den vielen Milliarden der Verteidigungsministerin mit diesmal 3,9 Milliarden Euro ein vergleichsweise kleiner Posten. Und die Debatte hat sich auch nicht an der recht übersichtlichen Kostensteigerung im Vergleich zum Vorjahr entzündet, als 3,86 Milliarden veranschlagt waren. Vielmehr dient die Generaldebatte der allgemeinen Aussprache über die Politik der Regierung.

Diese Generaldebatten haben ein gewisses Ritual. Eröffnet werden sie von der größten Oppositionsfraktion im Bundestag. In den meisten Fällen dürfte das eher eine Generalabrechnung sein. Je nach Lage und rhetorischem Geschick des Sprechenden wird hier der Ton der Debatte gesetzt. Danach treten Kanzlerin oder Kanzler ans Rednerpult, um sich gegen die Angriffe zu wehren. Und hier zeigt sich dann meist, ob die Opposition mit ihrer Kritik einen Nerv getroffen hat, wenn nun Kanzlerin oder Kanzler von ihrem ja bereits vorher geschriebenen Manuskript abweichen und spontan auf die verbalen Attacken reagieren.

Es folgen die Sprecher der Regierungsfraktionen je nach deren Größe, danach die anderen Oppositionsfraktionen. Und je nach sachlichem Gehalt und Unterhaltungswert dürfte der eine oder andere Satz aus ihren Reden auch in den Mitschnitten der Fernsehnachrichten auftauchen.

Generaldebatten im Plenum sind so alt wie der Bundestag selbst. Die erste fand bereits kurz nach der Konstituierung des neuen Parlaments am 21. September 1949 statt. Damals eröffnete Kurt Schumacher für die SPD-Fraktion die Aussprache über die Pläne der gerade erst vereidigten Bundesregierung unter dem CDU-Kanzler Konrad Adenauer mit einer demokratietheoretischen - und zweifellos stilbildenden - Feststellung: "Die Opposition ist ein Bestandteil des Staatslebens und nicht eine zweitrangige Hilfestellung für die Regierung."

Generaldebatten finden indes nicht nur während der Haushaltsberatungen statt. Eine der emotionalsten und wohl längsten hatte das Abtreibungsrecht zum Thema. Die Generalaussprache dazu am 25. April 1974 lief von früh morgens bis weit nach Mitternacht. Davon war die Debatte an diesem Mittwoch dann doch weit entfernt.

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