Bundesregierung:Manche Fans kann man sich nicht aussuchen

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Auch die kommissarische SPD-Spitze – Manuela Schwesig, Thorsten Schäfer-Gümbel und Malu Dreyer (v.l.) – erhielt verdächtig viel Lob aus Bayern. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Die SPD entscheidet im Herbst über Parteivorsitz und große Koalition - seit Olaf Scholz kandidiert, ist zumindest die CSU optimistisch.

Von Nico Fried, Berlin

Markus Söder war voll des Lobes. Der CSU-Vorsitzende sprach am Montagmorgen über die Interimsvorsitzenden der SPD, Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel. Das Trio hatte am Vorabend gemeinsam mit Vizekanzler Olaf Scholz und Fraktionschef Rolf Mützenich einmal mehr die SPD im Koalitionsausschuss vertreten. "Es ist eigentlich schade, dass das nur bis zum Dezember geht", flötete Söder über die kommissarische Spitze der Sozialdemokraten.

Doch diese Spitze verabschiedet sich Ende des Jahres unwiderruflich in die Geschichtsbücher. Dann soll die Nachfolge für die zurückgetretene Andrea Nahles in der SPD geregelt sein. Mit der Zwischenlösung sei "ein sehr gutes und verlässliches Miteinander darstellbar gewesen", schwärmte Söder. Man habe "Willen zum Handeln und Willen zum Regieren" erlebt. Nun müsse man abwarten, wie sich das weiter gestalte, so der CSU-Vorsitzende.

Die Ungewissheit über die Zukunft der Koalition - sie hat zwei Teile. Aber beide haben vor allem mit der SPD zu tun. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und Sozialdemokraten ist geregelt, dass zur Halbzeit eine Bilanz der bisherigen Regierungsarbeit gezogen werden soll. Das war eine Bedingung der SPD, ehe sie sich Anfang 2018 bereit erklärte, Angela Merkel noch einmal zur Kanzlerin zu wählen. Entlang dieser Bilanz wollen die Sozialdemokraten entscheiden, ob sie in der Koalition bleiben oder das Bündnis aufkündigen.

Eine Studie bescheinigt der Koalition eine "rekordverdächtige Halbzeitbilanz"

Der Koalitionsausschuss, der am Sonntagabend rund fünf Stunden lang im Kanzleramt tagte, hat nun beschlossen, dass die Bundesregierung bis spätestens Mitte Oktober eine solche Bilanz erarbeiten soll: Welche Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag wurden umgesetzt, welche auf den Weg gebracht, wo hakt es, was fehlt? Die SPD wolle die Liste für sich anschließend allerdings nicht "spiegelstrichartig" abarbeiten, sondern "eine politische Bewertung" vornehmen, wie Interims-Parteichef Schäfer-Gümbel am Montag berichtete. Dazu gehöre auch, wie die Arbeit der Koalition bei den Menschen ankomme. Schäfer-Gümbel bezog sich damit wohl auch auf eine am Montag vorgestellte Studie der Bertelsmann-Stiftung und des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, die der schwarz-roten Regierung attestierte, dass ihre Arbeit deutlich besser sei als ihr Ruf. "In den ersten 15 Monaten ihrer Regierungsarbeit hat die große Koalition bereits mehr als 60 Prozent ihrer insgesamt 296 Koalitionsversprechen umgesetzt oder angepackt", heißt es in der Studie. Das sei eine "rekordverdächtige Halbzeitbilanz". In der Bevölkerung allerdings ist das Image der Regierung schlecht: Nur jeder Zehnte sei der Meinung, dass die Versprechen des Koalitionsvertrages zu einem großen Teil eingelöst würden. Und ausweislich der Umfragezahlen leidet die SPD darunter bekanntlich am meisten.

Das SPD-Präsidium und die Führung der Bundestagsfraktion stellten sich am Montag hinter das Verfahren für die Halbzeitbilanz. Der Parteivorstand, so Schäfer-Gümbel, werde dann im Spätherbst für den Parteitag Anfang Dezember eine Empfehlung abgeben - "im übrigen auch gemeinsam mit der dann sicherlich neuen Parteiführung", über die bis dahin in einem Mitgliederentscheid abgestimmt worden sein soll.

Und genau da könnte die Sache noch besonders spannend werden. Denn die SPD-Mitglieder dürfen zwar in den kommenden Wochen die neue SPD-Parteispitze bestimmen (auch wenn der Parteitag sie am Ende formal noch wählen muss). Doch obwohl die große Koalition Anfang 2018 erst nach einem SPD-Mitgliederentscheid zustande gekommen war, soll über ihre Fortsetzung nicht die Basis, sondern der Parteitag entscheiden. Personalentscheidung und Parteiwille sollen dann möglichst im Einklang stehen. Doch theoretisch ist es durchaus denkbar, dass die Basis Kandidaten für die Spitze bestimmt, die für die Koalition sind, der Parteitag sich dann aber dagegen entscheidet. Oder umgekehrt.

Natürlich will sich die Union nicht in das Innenleben der SPD einmischen, aber wen zumindest die CSU für die Parteispitze klar favorisiert, ist am Montag nicht schwer zu erraten. "Ich finde es ein gutes Signal, dass auch Scholz sich bereit erklärt zu kandidieren", sagt Markus Söder. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt geht noch weiter: Der Wille zur Zusammenarbeit, den er auf Seiten der SPD im Koalitionsausschuss festgestellt habe, unterscheide die fünf sozialdemokratischen Verhandlungspartner "von der Mehrheit der Kandidaten", die bislang ihre Bewerbung für den SPD-Vorsitz angekündigt hätten. Dobrindt hält deshalb die jetzt angekündigte Bewerbung von Scholz "für einen gelungenen Schachzug". Damit werde klar, dass es innerhalb der SPD weiter "eine starke Bewegung gibt, die gerne Verantwortung in Deutschland übernehmen will und nicht ihre eigene Existenz aus der Flucht aus der Verantwortung begründet", sagt der CSU-Mann. Ob so viel schwarzes Lob Scholz wirklich hilft?

Den Wahlkampf in der SPD erwartet man in der CSU mit gemischten Gefühlen: 23 Regionalkonferenzen ab September füllen auch den Terminplan von Olaf Scholz beträchtlich auf. Andererseits, so formulierte Dobrindt etwas umständlich, sei zu hoffen, dass die SPD erkenne, "dass vielleicht die ständige Weiterentwicklung in mangelnde Verantwortung nicht das ist, was am Schluss zu einer besseren Umfragesituation führt".

© SZ vom 20.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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