Bundespräsident:Mann des Ausgleichs

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Frank-Walter Steinmeier ist kein Bundespräsident, der Begeisterung auslöst. Doch mitten in der Krise spricht vieles für eine zweite Amtszeit. Das sieht nun auch die grüne Parteispitze ein.

Von Constanze von Bullion

Die Entscheidung kam spät und eher ohne Jubel. Am Dienstag haben die Grünen den Weg freigeräumt für eine zweite Amtszeit von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Seine Wiederwahl am 13. Februar dürfte damit feststehen. "Frank-Walter Steinmeier ist ein sehr guter und hoch angesehener Bundespräsident, der sich in seiner ersten Amtszeit große Verdienste um unser Land erworben hat", erklärten die grünen Partei-und Fraktionsvorsitzenden am Dienstag. Der amtierende Bundespräsident werde, davon sei man überzeugt, "unserer Gesellschaft auf dem schwierigen Weg aus der Pandemie weiter Halt und Orientierung geben".

Eine höfliche, wenn auch nicht eben begeisterte Verneigung war das, mit der die Grünen als letzte der drei Regierungsparteien Steinmeiers Wiederwahl stützen, nach langem Zaudern. In der Bundesversammlung kann der bald 66-Jährige nun auf eine Mehrheit zählen. SPD, Grüne und FDP stellen dort mehr als 775 der 1472 Wahlmänner und -frauen, sind also nicht auf Stimmen anderer Parteien angewiesen.

Die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil begrüßten den Schritt der Grünen. Mit seiner ausgleichenden Haltung leiste Steinmeier einen unschätzbaren Beitrag für den Zusammenhalt im Land, teilten sie mit. Er genieße "zusätzlich zu seiner hohen Anerkennung und Beliebtheit in der Bevölkerung auch die volle Unterstützung der neuen Regierungskoalition und darüber hinaus".

Nach SPD, FDP und Grünen stellt sich auch die Union hinter den ehemaligen Außenminister. Das hätten die Präsidien von CDU und CSU einstimmig beschlossen, sagte der CDU-Vorsitzende Armin Laschet am Mittwoch nach gemeinsamen Beratungen beider Parteien. "Frank-Walter Steinmeier hat in den vergangenen Jahren als Bundespräsident mit großer Leidenschaft unsere Demokratie und den Zusammenhalt in unserem Land gestärkt", sagte Laschet. An der Spitze des Staates brauche es "eine glaubwürdige Stimme, die zusammenführt und nicht ausgrenzt".

Die Union verzichtet damit auf einen eigenen Kandidaten. Der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte bereits von einer aussichtslosen Gegenbewerbung abgeraten. Am Dienstag schloss sich auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) an. "Das Amt des Bundespräsidenten verdient Respekt. Aus dieser staatspolitischen Verantwortung heraus werde ich persönlich Frank-Walter Steinmeier für eine zweite Amtszeit unterstützen", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe und dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Schon 2017, bei seiner ersten Bewerbung, ging Steinmeier so gut wie unangefochten ins Rennen. Damals traten neben dem Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge ein AfD-Mann, ein wenig bekannter bayerischer Richter und der Vater eines Satirikers gegen Steinmeier in der Bundesversammlung an. Bei der Wahl Joachim Gaucks 2012 war die Konkurrenz ähnlich chancenlos. Die Linke stellte gegen Gauck die ehemalige Nazi-Jägerin Beate Klarsfeld auf. Sie scheiterte absehbar.

Eine Zählkandidatur habe man nicht gewollt, begründeten die Grünen nun ihre Entscheidung. Denn für eine erfolgreiche Gegenkandidatur hätten auch schwarz-grüne Stimmen nicht gereicht. Für eine Mehrheit wären Wahlleute einer dritten Partei nötig, etwa der Linken oder der AfD. Ein solches Szenario wolle man nicht, hieß es bei den Grünen.

"Der Bundespräsident hat gesagt, dass er sich eine zweite Amtszeit vorstellen kann. Er genießt hohes Ansehen und hat einen sehr guten Job gemacht hat. Das sind für uns Gründe, ihn zu unterstützen", sagte die grüne Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge der Süddeutschen Zeitung. Sie räumte allerdings auch ein, dass die grünen Wünsche keineswegs alle erfüllt sind. "Natürlich werden wir bei künftigen Besetzungen auch auf die Frage der Vielfalt achten."

Die Entscheidung über Steinmeiers Amtszeit reiht sich ein in eine Kette von Kompromissen, die die Grünen gleich zum Start ihrer Regierungszeit akzeptiert haben, ohne hörbar aufzumucken. In den eigenen Reihen stößt das auch auf Unbehagen. Fürs höchste Staatsamt hätten sich viele Grüne durchaus auch einen anderen Kandidaten vorstellen können, genauer gesagt: eine Kandidatin ohne sozialdemokratisches Parteibuch. Mit Bundespräsident, Bundestagspräsidentin und Bundeskanzler werden die drei obersten Staatsämter nun von der SPD besetzt. Zudem versuchen die Grünen seit Jahren, eine Frau ins Präsidialamt zu bringen, alternativ eine Persönlichkeit mit Migrationsbiografie oder sonst wie "progressivem" Profil, wie sie es nennen. Steinmeier ist da nicht gemeint.

Eine überzeugende Kandidatur konnten bisher allerdings weder Grüne noch Union vorweisen. Im Gespräch war die langjährige Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Auch sie aber gehörte zu den Chancenlosen. Denn selbst wenn das Amt des Bundespräsidenten offiziell nie Gegenstand von Koalitionsverhandlungen war: SPD-Verhandlungsführer Olaf Scholz soll seinen künftigen Regierungspartnern früh klargemacht haben, dass die Personalie Steinmeier unverhandelbar sei. Die FDP hatte ohnehin schon zugestimmt. Eine Abstimmung in der Bundesversammlung aber, bei der die Grünen mit der Union einen Bundespräsidenten aus dem Amt jagen, den beide Regierungspartner unterstützen, das hätte Krach bedeutet. Man hat darauf verzichtet.

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