Bundespräsident:Gauck ärgert sich über "Wir sind das Volk"-Rufe bei Pegida

Lesezeit: 1 min

  • Bundespräsident Joachim Gauck sagt, es mache ihn manchmal wütend, dass bei Pegida-Demos der Ruf "Wir sind das Volk" verwendet werde.
  • Er warnt vor einer Überforderung durch die Aufnahme von Flüchtlingen und fordert einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen.
  • Wachsende Sorgen wegen der Flüchtlingskrise müssten von führenden Politikern angesprochen werden sagt Gauck.

Gauck bezeichnet "Wir sind das Volk"-Rufe durch Pegida als "Missbrauch"

Bundespräsident Gauck sagt, er ärgere sich darüber, dass Teilnehmer von Pegida-Demonstrationen "Wir sind das Volk" riefen. Der Sächsischen Zeitung sagte der frühere DDR-Bürgerrechtler, er sei "ärgerlich, manchmal auch wütend" darüber und empfinde es als "eine Art Missbrauch", dass Pegida mit dem historischen Ruf der friedlichen Revolution in der DDR demonstriere.

Mit dem Satz sei ein emanzipatorischer Anspruch verbunden, sagte Gauck. Nun werde er von Menschen verwendet, die sich vielfach demokratischer Beteiligung verweigert hätten und nun diffuse Ängste äußerten. "Sie machen sich aber nicht klar, dass es keine Verurteilung zur Ohnmacht gibt und dass Enthaltung auch Folgen hat."

Skeptisch zeigte sich Gauck in der Frage, ob Pegida-Demonstranten noch mit Gesprächsangeboten zu erreichen sind. "Wer sich von Vorurteilen nicht lösen will, wer so gründlich und ausdauernd seinen Frust pflegt, dass er nicht mehr zuhört, den erreicht man auch mit noch so vielen Angeboten für Gespräche nicht."

Politiker sollen sich Sorgen der Menschen annehmen

Zugleich warnte Gauck vor einer Überforderung Deutschlands, wenn zu viele Flüchtlinge aufgenommen würden. Er "verstehe sehr gut, dass Menschen auch vor Armut nach Europa fliehen", sagte Gauck. "Aber alle aufnehmen zu wollen, die kommen, das wäre ein gewagter Kurs in Richtung der reinen Moral." Die Aufnahme sämtlicher Migranten "würde schlicht nicht funktionieren".

"Auf eine Überforderung der Hilfsbereiten" würden "zu häufig Abwehr, Entsolidarisierung und Aggression folgen", sagte er. "Und es könnte eine bedrohliche Entwicklung verstärken, die wir schon jetzt beobachten - dass der rechte Rand an Zulauf gewinnt."

Gauck sprach sich für einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen aus. Es sei "richtig, dass wir darüber diskutieren, wie wir diesen Schutz verbessern können". Dies sei aber nur zu "akzeptieren, wenn wir Europäer auch Möglichkeiten des legalen Zugangs zu unserem Kontinent schaffen und wenn wir das fundamentale Recht auf Asyl nicht zur Disposition stellen".

Politiker sollten sich der Sorgen der Menschen etwa in der Flüchtlingskrise annehmen und sie benennen. "Auch und gerade wir Repräsentanten des Staates und Politiker" seien dafür verantwortlich. Denn auch in der aufgeklärten Mitte der Gesellschaft wüchsen die Sorgen, ob und wie sich die Herausforderung bewältigen lasse. "Und da kann ich nur sagen: Ja, raus mit der Sprache! Benennt, was Euch bedrückt, überlasst das Sorgenpotenzial nicht dem rechten", sagte Gauck.

© SZ.de/AFP/dpa/cmy - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: