Bundesparteitag in Neumünster:Piraten wählen neuen politischen Geschäftsführer

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Ein Nachfolger für Marina Weisband ist gefunden: Die Piratenpartei wählte Johannes Ponader zum neuen politischen Geschäftsführer. Bereits am Samstag hatten die Mitglieder einen neuen Vorstand bestimmt: Der bisherige Vize-Chef Bernd Schlömer führt die Partei künftig an.

Die Piraten haben einen neuen politischen Geschäftsführer: Die Mitglieder wählten am Sonntag mit 74,4 Prozent der Stimmen Johannes Ponader. Er tritt damit die Nachfolge von Marina Weisband an, die nicht erneut kandidierte, um sich ins Private zurückzuziehen. Ponader lebt in Berlin als Autor und Theater-Regisseur. Er engagiert sich für das bedingungslose Grundeinkommen, zu dem sich die Piraten auf einem früheren Parteitag bekannt hatten.

Sebastian Nerz ist jetzt stellvertretender Vorsitzender. (Foto: dpa)

Ponader ersetzt nun den Medienstar der Piraten - will sich aber etwas mehr im Hintergrund halten als Marina Weisband: "Ich werde mich dafür einsetzen, dass mehr verschiedene Gesichter nach außen auftreten", sagte er. Als sein Kerngeschäft sieht er die Arbeit nach innen: "Bei uns wird die Politik nicht vom Vorstand gemacht - bei uns wirkt jedes Mitglied." Er selbst wolle den Prozess moderieren.

Bereits am Samstag haben sich die Piraten neu aufgestellt. Auf ihrem Bundesparteitag in Neumünster wählten die Piraten am Samstagabend den bisherigen Chef Sebastian Nerz zum stellvertretenden Vorsitzenden. Zuvor war der bisherige Vize-Vorsitzende Bernd Schlömer zum neuen Piratenchef gewählt worden. Ein Führungswechsel blieb damit aus.

Bernd Schlömer setzte sich zunächst gegen den bisherigen Amtsinhaber Nerz und weitere sechs Gegenkandidaten durch. Der Referent im Bundesverteidigungsministerium erhielt 66,6 Prozent der Stimmen, Nerz erreichte 56,2 Prozent - und scheiterte damit bei der Wahl um dem Chefposten.

Die Berliner Piratin Julia Schramm, die ebenfalls als Favoritin gehandelt worden war, kam in der Abstimmung nur auf 29,3 Prozent der Stimmen. Jedes Mitglied hatte bei der Wahl zwei Stimmen und konnte für alle acht Bewerber, für mehrere oder für keinen seine Stimme abgeben. Deswegen erreichten sowohl Schlömer wie Nerz mehr als 50 Prozent der Stimmen. "Es freut mich, eine derart hohe Zustimmung der Mitglieder erhalten zu haben und ich bin stolz darauf, knapp 30.000 Mitglieder zu repräsentieren", sagte Schlömer nach seiner Wahl.

Schomacker zum Generalsekretär gewählt

Der 41-Jährige betonte, er wolle die Mitglieder wieder für das Mitmachen begeistern. Der Dialog mit der Parteibasis müsse intensiviert, die innerparteiliche Meinungsbildung evaluiert und weiterentwickelt werden. "Ich möchte für mehr Kooperation und Gemeinsamkeit werben", kündigte er an. Außerdem gehe es darum, ein Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2013 zu entwickeln.

Schlömer arbeitet als Regierungsdirektor im Verteidigungsministerium und kümmert sich dort um die Verwaltung der beiden Bundeswehrhochschulen. In die Piratenpartei trat der Diplom-Kriminologe, der in Hamburg lebt und in Berlin arbeitet, im Mai 2009 ein. Zunächst war er zwei Jahre lang Schatzmeister, ehe er im Mai 2011 zum Stellvertretenden Vorsitzenden und nun zum Chef der Piraten gewählt wurde.

Schlömer löst den 28-jährigen Informatiker Sebastian Nerz ab, der die Partei ein Jahr lang geführt hatte. Nerz erhielt dann bei der Wahl zum Stellvertreter am Abend eine deutliche Mehrheit von 73,8 Prozent. Mit 70,5 Prozent der Stimmen wurde Markus Barenhoff zum zweiten stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Swanhild Goetze ist mit 93 Prozent Zustimmung zur Schatzmeisterin gewählt worden. Am späten Abend, mehr als zwölf Stunden nach Beginn des Parteitags, bestimmte die Versammlung Sven Schomacker zum Generalsekretär. Die Piraten haben ihren Vorstand von sieben auf neun Personen erweitert.

Zeichen gegen Rechtsextremismus

Die Rechtsextremismus-Debatte überschattete zeitweise die Beratungen des Parteitags. Nachdem ein Mitglied am Rande der Versammlung vor Journalisten gesagt hatte, man könne über den Holocaust diskutieren, wurde der Parteitag vorübergehend unterbrochen. Ohne sichtbare Gegenstimme verabschiedeten die mehr als 1600 Teilnehmer des Parteitags anschließend eine Resolution gegen die Verharmlosung des Massenmordes an Juden während des Zweiten Weltkriegs.

"Der Holocaust ist unbestreitbarer Teil der Geschichte. Ihn unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit zu leugnen oder zu relativieren, widerspricht den Grundsätzen der Partei", heißt es in dem Beschluss. In der Vergangenheit hatten rechtsextreme Parteimitglieder und unbedachte Äußerungen wie der Vergleich des Aufstiegs der Piratenpartei mit der NSDAP für Unmut gesorgt.

Die Kontroverse beeinflusste auch die Wahl des neuen Bundesvorstands. Als ein Bewerber sich vorstellte, der früher vom "Weltjudentum" gesprochen hatte, verließ ein großer Teil der Versammlung unter Protest die Halle oder drehte dem Redner demonstrativ den Rücken zu.

Die Piraten setzen ihren Parteitag am Sonntag fort. Dann wollen die Teilnehmer unter anderem über die Nachfolge der scheidenden politischen Geschäftsführerin Marina Weisband abstimmen.

© Süddeutsche.de/dpa/dapd/mikö/dmo/bbr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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