Bundesparteitag der Liberalen:Ungeliebte Freiheitskämpfer

Lesezeit: 2 min

Die Deutschen schätzen die Freiheit durchaus - zu beobachten im Erfolg der Piratenpartei oder der breiten Unterstützung für Joachim Gauck. Was sie dagegen nicht schätzen: die Freiheitskämpfer von der FDP. Denn am Ende zählt das gefühlte Vertrauen in das Personal. Das haben Rösler, Lindner und die übrige Führungsriege verspielt.

Peter Blechschmidt

Menschen wollen über ihr Leben selbst bestimmen. Jeder Mensch soll faire Chancen haben, nach eigener Façon glücklich zu werden. Zwei Sätze vom Anfang des neuen Grundsatzprogramms der FDP, das der Karlsruher Parteitag an diesem Wochenende verabschieden soll. Was ist an diesen Sätzen so falsch, dass eine Partei mit dem Anspruch, genau diese Freiheiten zu wahren, so wenig Zustimmung findet?

Freiheitsdurst, aber keine Lust auf die FDP: Die Krise der Liberalen ist eine Krise des Führungspersonals. (Foto: dpa)

Es hat oft den Anschein, als wäre den Deutschen ihre Freiheit nicht sehr wichtig. Parteien, die den Menschen versprechen, für sie zu sorgen und ihnen schwierige Entscheidungen abzunehmen, haben deutlich mehr Konjunktur als die FDP. Die Sorge um ihre Sicherheit ist bei vielen Menschen größer als die Furcht vor dem Verlust von Freiheiten. Das ist verständlich. Viele Menschen haben zu Recht Angst um ihren Arbeitsplatz, um ihre Versorgung im Alter - und auch vor einer U-Bahn-Fahrt bei Nacht.

Dagegen wird die alltägliche Freiheit als etwas Selbstverständliches betrachtet. Die Freiheit zu kaufen, was einem gefällt. Die Freiheit zu reisen, wohin man möchte. Die Freiheit zu sagen, wonach einem gerade zumute ist.

Manch einen schrecken auch die Risiken, die mit Freiheit verbunden sind. Wer sein Leben selbst in die Hand nimmt, läuft Gefahr, falsche Entscheidungen zu treffen. Das gilt für die Wahl des Arbeitgebers wie des Lebenspartners, des Wohnortes oder der Kapitalanlage. Jeder Mensch trägt für seine Entscheidungen erst einmal selbst die Verantwortung. So wie er den Nutzen seines Handelns für sich beansprucht, so muss er auch für etwaige negative Folgen aufkommen. Das Prinzip ist zugegebenermaßen - wenn man auf das Treiben an den Finanzmärkten blickt - aus der Mode gekommen. Richtig ist es trotzdem.

Davon unberührt bleibt die Verpflichtung einer Gesellschaft, Benachteiligten und unverschuldet in Not Geratenen zu helfen. Freiheit bedeutet nicht Verantwortungslosigkeit; Streben nach persönlichem Glück und Erfolg ist nicht gleichbedeutend mit kaltem Egoismus. Ehrenamtliches Engagement und privates Mäzenatentum, wie sie sich in vielen Bereichen der Gesellschaft segensreich auswirken, wären ohne den wirtschaftlichen Erfolg der Spender nicht denkbar.

Auch ist es ja keineswegs so, als hätten die Deutschen am Thema Freiheit kein Interesse. Die überwältigende Zustimmung zum neuen Bundespräsidenten Joachim Gauck gilt einem Mann, der das Streben nach Freiheit geradezu personifiziert. Und der Boom, den die Piratenpartei erlebt, hat ebenfalls viel mit dem Wunsch nach Freiheit zu tun - auch wenn die Piraten unter Freiheit wohl etwas anderes verstehen als der traditionelle FDP-Wähler. Alles in allem dürfte die Zahl der Menschen, für die Freiheit einen hohen Wert hat, deutlich größer sein als die derzeitige Anhängerschaft der FDP. Der Resonanzboden für eine freiheitliche Partei wäre vorhanden. Warum aber schafft es die FDP nicht, dieses Potential für sich zu erschließen?

Mag sein, dass manchem die FDP zu marktschreierisch daherkommt, wenn sie den Alleinvertretungsanspruch in Sachen Freiheit für sich reklamiert. Gut möglich auch, dass vielen Wählern die Beschäftigung mit einem Parteiprogramm zu mühsam ist. Wahrscheinlich sogar, dass viele einfach nicht mehr hinhören, wenn ein FDP-Politiker sich äußert.

Das liegt vielleicht weniger an den Inhalten als an den Personen. Je komplexer die Probleme und je unübersichtlicher die tägliche Masse von Pseudo-Nachrichten werden, desto schwerer wiegt die Glaubwürdigkeit einer politischen Führung. Wo das Empfinden mehr zählt als der nüchterne Verstand, entscheidet das gefühlte Vertrauen in die Fähigkeiten und in die Zuverlässigkeit eines Politikers. Dieses Vertrauen genießen die Röslers, Lindners und Kubickis bei den Wählern offenkundig nicht. Und das ist das Problem der FDP.

© SZ vom 21.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: