Bulgarien:Der Präsident hebt ab

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Kaum im Amt, muss Ex-Pilot Rumen Radew Neuwahlen für das Parlament ausschreiben. Denn das EU-Land steckt in einer Regierungskrise.

Von Florian Hassel, Warschau

21 Salutschüsse, Glockengeläut und klirrende Kälte haben Rumen Radew am Sonntag bei seiner Amtseinführung vor der Alexander Newski-Kathedrale begleitet, dem Wahrzeichen der Hauptstadt Sofia. Nun muss der neue Präsident Bulgariens gleich zu Beginn seiner Amtszeit eine Übergangsregierung ernennen und vorzeitige Neuwahlen ausschreiben: Das EU-Mitglied Bulgarien steckt in einer Regierungskrise. Und die hatte der neue Staatschef noch vor seinem Amtsantritt unfreiwillig selbst ausgelöst.

Radew war bis Sommer 2016 Bulgariens Luftwaffenkommandeur gewesen, er hatte keinerlei politische Erfahrung. Wohl auch deswegen - und wegen der schwachen Gegenkandidatin der Regierungspartei - wählten die Bulgaren, die ihre Politiker skeptisch betrachten, den Ex-Offizier im November zum Präsidenten. Weil seine farblose Kandidatin gegen Radew unterlegen war, trat Ministerpräsident Boyko Borissow von der europafreundlichen und sehr populären Gerb-Partei daraufhin zurück. Mehrere Anläufe, eine neue Regierung zu bilden, scheiterten. Deshalb ist nun eine vorgezogene Parlamentswahl erforderlich.

Radew kündigte nach seiner Vereidigung an, er werde das Parlament voraussichtlich in einer Woche auflösen; im März könnte gewählt werden. Ob er die bisherige Regierung geschäftsführend im Amt lassen oder eine eigene Übergangsregierung ernennen will, ließ er offen. Bulgariens Präsident übt zwar ein großteils nur zeremonielles Amt aus. In Krisenzeiten jedoch gewinnt der Präsident an Bedeutung. Er kann sein Veto gegen Gesetze einlegen oder sie zur Überprüfung an das Verfassungsgericht schicken. Zudem vertritt er das Land oft im Ausland.

Radew will ein Ende der EU-Sanktionen gegen Moskau

Radews Amtsvorgänger Rosen Plewnelijew etwa trat nach der russischen Annexion der Krim und Moskaus Stellvertreterkrieg in der Ostukraine als harter Kritiker Russlands auf. Er befürwortete die EU-Sanktionen gegen Moskau und warnte vor russischen Versuchen, mit der Förderung rechtspopulistischer Parteien in Europa die Europäische Union von innen heraus zu schwächen oder gar zu zerstören.

Auch Radew nannte vor seiner Vereidigung die russische Annexion der Krim völkerrechtswidrig. Sie sei "de jure ukrainisch und de facto russisch". Gleichwohl sollten die Sanktionen gegenüber Moskau aufgehoben werden, weil sie der EU und schwachen Volkswirtschaften wie Bulgarien schadeten. Radew betonte, er stelle Bulgariens Mitgliedschaften in Nato oder EU dabei aber nicht infrage. Einer Gallup-Umfrage zufolge ist zehn Jahre nach Sofias Beitritt zur EU nur ein Viertel der Bulgaren dafür, aus der EU auszutreten.

Bulgariens außenpolitische Linie wird aber nicht vom Präsidenten, sondern von der künftigen Regierung bestimmt. Die Sozialisten sind geschwächt. Auch die europafreundliche Gerb-Partei wäre im Fall eines neuerlichen Wahlsieges auf Koalitionspartner angewiesen. Viele andere Parteien vertreten aber teils moskaufreundliche Positionen. Russland kontrolliert zudem einen großen Teil der bulgarischen Ökonomie: Konservativen Schätzungen zufolge geht es um ein Viertel bis 40 Prozent der Wirtschaft, wenn auch von russischen Partnern abhängige Firmen berücksichtigt werden, kalkulierte das Zentrum für das Studium der Demokratie in Sofia kürzlich in einer Studie.

© SZ vom 23.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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