Hamburg:Rot-grüne Koalition für niedrigen Industriestrompreis

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Kanzler Scholz ist skeptisch, seine frühere rot-grüne Koalition in Hamburg dagegen sieht keinen anderen Ausweg. Um eine drohende Deindustrialisierung zu verhindern, müsse energieintensiven Betrieben ein niedriger Industriestrompreis zugestanden werden.

Von Markus Klemm, dpa

Hamburg (dpa/lno) - Hamburgs rot-grüne Koalition hat sich für einen niedrigeren Strompreis für energieintensive Industriebetriebe im internationalen Wettbewerb ausgesprochen. „Ja, wir brauchen in der besonderen Situation einen Industriestrompreis“, sagte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf am Mittwoch in einer Aktuellen Stunde der Hamburgischen Bürgerschaft. Ähnlich äußerte sich der Grünen-Fraktionsvorsitzende Dominik Lorenzen: „Wir Grünen (...) fordern einen auf sechs Cent gedeckelten Industriestrompreis.“ Er räumte ein, die Subvention sei teils ungerecht und auch nicht billig. Aber „dieser Industriestrompreis ist die Bedingung dafür, dass aus Hamburg auch künftig grüner Stahl, Aluminium und Kupfer kommen“.

Hamburg sei die größte Industriestadt Deutschlands und jetzt drohe eine große Gefahr der Desindustrialisierung, warnte Lorenzen. „Genau jetzt bleibt Putins billiges und schmutziges Gas aus und genau jetzt haben die USA ein gewaltiges Abwerbeprogramm auch für die deutsche Industrie aufgelegt.“ Gleichzeitig wies Lorenzen darauf hin, dass der Industriestrom in Deutschland vier Mal mehr als in den USA und drei Mal mehr als in Frankreich koste, und warnte: „Industrieanlagen, die einmal stillgelegt und abgezogen sind, die werden nicht mehr aufgebaut, die werden nicht mehr hochgefahren.“

Kienscherf verwies auf rund 180.000 Industrie-Beschäftigte in Hamburg und eine jährliche Bruttowertschöpfung von 77 Milliarden Euro. Seine Fraktion unterstütze das Konzept eines zeitlich befristeten Transformationsstrompreises, sei aber auch für das Eckpunktepapier der SPD-Bundestagsfraktion, das weitere Maßnahmen zur Absicherung der Strompreise für Abnehmer und Erzeuger vorsehe. „Zudem müssen wir das Strommarktdesign anpassen sowie die Stromsteuer und die Netzentgelte reduzieren“, sagte Kienscherf.

Die Opposition kam in der Aktuellen Stunde wegen Zeitablaufs nicht mehr zu Wort. Die CDU-Fraktion erklärte deshalb per Mitteilung, dass sie die Ampel-Koalition in Berlin für mitverantwortlich an der Lage hält. „Kraftwerke wurden in der Krise von der Ampel und Rot-Grün abgeschaltet und nicht wieder angefahren“, erklärte ihr Wirtschaftsexperte Götz Wiese. Nun importiere Deutschland Atom- und Kohlestrom aus dem Ausland. Die Ampel verknappe den Strom, mache ihn künstlich teuer und dreckig, klagte die CDU-Fraktion.

„Der Industriestandort Hamburg benötigt ein tragfähiges Konzept und umgehend drei Maßnahmen: Angebot ausweiten, Abgaben runter, moderne Technologien fördern“, betonte Wiese. Ein Brückenstrompreis für kurze Zeit bei gleichzeitiger Ausgrenzung wesentlicher Teile des Mittelstandes sei zu kurz gesprungen.

Die Linksfraktion dagegen hält eine vorübergehende Subventionierung des Industriestrompreises für sinnvoll. „Diese Subventionierung muss aber an Bedingungen wie Tariftreue, Standort- und Beschäftigungsgarantien geknüpft werden“, betonte ihr energiepolitischer Sprecher Stephan Jersch. Auch dürfe es nicht zulasten der Endkunden gehen. Auch er sprach sich für eine Reform des Strommarktdesigns und der Netzentgelte aus.

Bundeskanzler Olaf Scholz - ehedem Hamburger Bürgermeister - wich einer klaren Positionierung zu dem in der Berliner Ampel-Koalition weiter umstrittenen Industriestrompreis am Mittwoch aus. Nach der Kabinettsklausur in Meseberg verwies der SPD-Politiker auf andere Anstrengungen der Bundesregierung für bezahlbare Energiepreise: „Die Frage der Sicherung einer billigen Energieversorgung ist ein Dauerthema der Regierung.“ Deswegen sollten etwa Erneuerbare Energien und Netze ausgebaut werden.

Die Positionen zum von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vorgeschlagenen Industriestrompreis liegen in der Bundesregierung weit auseinander. Finanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt ihn ab - zum einen wegen der Kosten, aber auch, weil der Mittelstand davon kaum profitieren würde. Die Grünen dagegen sind dafür. Die SPD-Fraktion schlug zuletzt einen auf mindestens fünf Jahre befristeten Preis von fünf Cent pro Kilowattstunde vor. Scholz gilt bei dem Thema als skeptisch.

© dpa-infocom, dpa:230829-99-03300/4

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