Brüssel:Umstrittenes Haus für die europäische Idee

Lesezeit: 2 min

Im Angesicht der Krise investiert Brüssel mehr als 50 Millionen Euro für ein besseres Verständnis der europäischen Idee. Propaganda, versichern Europapolitiker, soll das neue "Haus der Europäischen Geschichte", aber keinesfalls sein. Ein erster Versuch scheiterte - auch am Streit darüber, was reingehört.

Von Martin Winter, Brüssel

In diesen Zeiten der Krise gehört schon ein stabiles Vertrauen in die Stärke der europäischen Idee dazu, ihr gerade jetzt ein "Haus der Europäischen Geschichte" zu errichten. Aber seit ein paar Wochen wird das ehemalige zahnmedizinische Institut George Eastman, das nicht weit vom Europäischen Parlament in einem Park mitten im Europaviertel in Brüssel liegt, zu diesem Zweck unverdrossen für 53 Millionen Euro aus den Kassen von Parlament und Kommission um- und ausgebaut. Das Haus, sagt dessen Initiator und ehemaliger EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering, sei Teil der "Informationsarbeit" der Abgeordnetenkammer, diene aber "nicht der Propaganda".

Der Europäer, der Brüssel besucht, soll in diesem Hause also etwas lernen. Das bereits 2008 entwickelte Ausstellungskonzept will ihn sich in seine Geschichte vertiefen lassen, zum "besseren Verständnis der Entwicklung Europas in Gegenwart und Zukunft". Geschichte also als Schlüssel zu Gegenwart und Zukunft. Aber wo beginnt die europäische Geschichte? Das ist eine kniffelige Frage, an der unter anderem ein erster Anlauf zu einem Geschichtshaus Mitte der Neunzigerjahre gescheitert war. Damals wollte man Europa mit Karl dem Großen beginnen lassen. Das nun stieß auf Protest, unter anderem auf den der Griechen. Die bestanden darauf, die Geschichte Europas im alten Athen beginnen zu lassen.

Beim ersten Versuch fehlen Geld und politischer Wille

Dass die Europäer sich damals nicht unversöhnlich über ihre Geschichte zerstritten, verdankten sie all den anderen Mängeln, an denen diese erste Initiative für ein Haus der Europäischen Geschichte schnell zugrunde ging. Es fehlten das Geld, der politische Wille und der geeignete Ort. Pöttering redet nicht darüber, was damals schiefgelaufen war. Aber Konsequenzen wurden schon gezogen.

Das Haus der Europäischen Geschichte konzentriert sich nun auf das 20. Jahrhundert. Und damit auf die moderne europäische Einigungsgeschichte. Eine Geschichte, die mit der Urkatastrophe des Ersten Weltkriegs beginnt. Und in der es auch des zerstörerischen Zweiten bedurfte, um die in den Zwanzigerjahren noch vergeblich gehegte Idee von einem einigen Europa zur politischen Tat werden zu lassen. Aber weil die Geschichte Europas oft nur aus lange zurückliegenden Epochen und Ereignissen zu verstehen ist, gibt es Exkurse in die Antike, ins alte Rom, ins Frankenreich Karls, in die Renaissance oder in die Aufklärung. Da kann sich dann keiner mehr beklagen.

Die Besucher des Hauses der Europäischen Geschichte sollen aber nicht nur aus der Vergangenheit lernen, sondern auch über die Zukunft nachdenken. Die sich über 4000 Quadratmeter ausdehnende Ausstellung endet mit der die europäische Gegenwart schwer bewegenden Erkenntnis: "Die Zukunft der Europäischen Union ist offen." Weder gebe es eine "Zielperspektive" noch Klarheit über die Grenzen der EU. Zur europäischen Geschichte gehören eben auch Fragen, auf die noch keiner eine Antwort hat, oder sich traut, eine zu geben. Ob das neue Haus zur europäischen Identität entscheidend beiträgt, ist offen. Sicher ist nur, dass es gut besucht sein wird. Es wird auf dem Programm aller etwa 350.000 Europäer stehen, die die Abgeordneten pro Jahr nach Brüssel einladen.

© SZ vom 21.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: