Brüssel:Schlechte Noten für die Kontrolle von Lobbyisten

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Weder die EU noch Deutschland haben ausreichende Regeln für den Umgang mit den Interessenvertretern - sagt die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International.

Von Cerstin Gammelin, Brüssel

In Deutschland arbeiten Lobbyisten weitgehend unreguliert und intransparent. Zu diesem Schluss kommt die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International in dem Bericht "Lobbying in Europa: Versteckter Einfluss, privilegierter Zugang", den sie am Mittwoch in Brüssel vorstellte. Gesetzliche Regelungen fehlten. Ein verbindliches Lobbyregister, verknüpft mit einem Verhaltenskodex und Sanktionsmöglichkeiten bei Fehlverhalten sei "weiterhin nicht in Sicht". Und die propagierte Selbstregulierung der Branche sei "bisher unzureichend" geblieben, schreiben die Autoren über die Lage in Deutschland. Ein fairer und gleichberechtigter Zugang zu den Prozessen der Entscheidungsfindung sei nicht gegeben.

Im Ranking der EU-Mitgliedstaaten ist Deutschland damit erneut auf einem der hinteren Plätze gelandet. Nur sieben Länder (Frankreich, Großbritannien, Irland, Litauen, Österreich, Polen und Slowenien) haben robuste Regeln eingeführt, die Interessenvertreter verpflichten, ihre Kontakte offen zu legen. Ungarn und Zypern dagegen haben fast keine, und kaum besser sieht es aus in Italien, Portugal und Spanien.

Die Autoren betonten, dass Lobbying integraler Bestandteil einer funktionierenden Demokratie sei. Es bedürfe aber klarer Regeln, um zu verhindern, dass zahlungskräftige Minderheiten ihre Interessen zulasten öffentlicher Interessen durchsetzen könnten. In ihrem Bericht gehen die Autoren sowohl auf bestehende Lobby-Praktiken ein als auch auf geplante Regulierungen, die für eine faire und transparente Interessenvertretung in den Mitgliedsländern und europäischen Institutionen (Kommission, Parlament und Ministerrat) sorgen sollen.

Allein in Brüssel sind mehr als 8000 Lobby-Organisationen registriert. Damit ist die europäische Hauptstadt nach Washington D.C. der weltweit größte Umschlagplatz für Informationen. In Berlin sind es rund 2000. Aufgrund der andauernden Kritik am Treiben der Interessenvertreter in Brüssel wurde 2008 ein freiwilliges Transparenzregister von Kommission und Parlament eingeführt. In dieses Register sollen sich alle Lobbyisten eintragen, die sich mit Beamten und Abgeordneten treffen. Nur wer sich registriert, bekommt einen Zugangsausweis. Die Autoren der Studie bewerten diese freiwilligen Maßnahmen als unzureichend. "Weder die ausgewerteten Länder, noch die europäischen Institutionen verfügen über angemessene Instrumente, um Drehtüreffekte zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor zu kontrollieren", schreiben sie. "Die Interessenkonflikte in den jeweiligen Entscheidungsprozessen bleiben bestehen."

Edda Müller, Chefin von Transparency Deutschland, forderte am Mittwoch, mit konkreten Maßnahmen vorzubeugen, dass Lobbyismus in Korruption münde. Dazu gehörten "verbindliche Lobbyregister, legislative Fußabdrücke", um nachvollziehen zu können, wer an Gesetzen mitschrieb, sowie effektive Karenzzeiten bei Job-Wechseln.

© SZ vom 16.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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