Brasilien:Wut, Schweiß und Tränen

Lesezeit: 2 min

"Nur Jesus ist beliebter": Lula (re.) mit Anhängern in São Paulo. (Foto: imago)

"Eine Telenovela aus Lügen": Brasiliens Ex-Präsident Lula weist Korruptionsvorwürfe von sich.

Von Sebastian Schoepp, München

In seiner Powerpoint-Präsentation hatte Staatsanwalt Deltan Dallagnol Brasiliens 14 größte Übel mit weißer Schrift in blaue Kreise geschrieben: die Korruptionsaffäre beim staatlichen Ölgiganten Petrobras, die Unregierbarkeit, die Bestechung von Abgeordneten, die kriminellen Methoden des Machterhalts und weitere Ärgernisse. Von den 14 Kreisen weisen Pfeile anklagend in die Mitte des Rechtecks, wo ein Name steht, bei dem sich alles Böse zu bündeln scheint: Lula.

Nach Ansicht einer Gruppe ehrgeiziger junger Staatsanwälte aus der Provinzstadt Curitiba, im Volksmund Curitiba-Boys genannt, ist der frühere Präsident Luiz Inácio Lula da Silva praktisch verantwortlich für alles, was in Brasilien schiefläuft. Die smarte Truppe will den Alten zur Strecke bringen, Dallagnol warf Lula auf einer Pressekonferenz vor, der "comandante máximo" in einem gigantischen Korruptionsnetz gewesen zu sein, das um Petrobras geknüpft wurde. Lula selbst soll mit einer Wohnung entlohnt worden sein, was er heftig bestreitet. Ob die Anklage zugelassen wird, muss nun der Richter Sergio Moro entscheiden. Es gibt jedoch wenig Zweifel, dass es zum Prozess kommt, denn auch er gehört zu den Curitiba-Boys. Lula selbst hat sich nun auf Lula-typische Art mit einer Rede gewehrt, die Dallagnols Powerpoint-Präsentation Wut, Schweiß und Tränen entgegensetzte. Den Ermittlern warf er vor, eine "Telenovela aus Lügen" gegen ihn zu inszenieren. Die Vorwürfe seien purer Hass der Elite, sagte er in Anspielung darauf, dass die Curitiba-Boys Weiße aus der Mittel- und Oberschicht sind. Er sieht sich als Märtyrer: "Nur Jesus Christus ist in Brasilien beliebter als ich", stellte der 70-jährige Arbeiterführer fest, der zwei Wahlen mit hohem Vorsprung gewann.

Doch die Korruptionsaffäre um seine Arbeiterpartei PT hat ihn massiv Popularität gekostet, alles, wirklich alles scheint sich gegen Lula zu wenden. Seine politische Ziehtochter Dilma Rousseff wurde mit einer Zweidrittelmehrheit im Senat aus dem Präsidentenamt entfernt. Lulas und Rousseffs Modell des mit Rohstoffeinnahmen bezahlten Sozialstaates ist am Ende, seit die Preise eingebrochen sind. Lula liebäugelt trotzdem mit einer weiteren Präsidentschaftskandidatur 2018. Seine Gegner - die derzeit regieren - versuchen alles, um das zu verhindern, ein bisschen Angst scheinen sie schon noch vor ihm zu haben. Da passt die Korruptionsanklage ins Bild. Würde er verurteilt, drohten Lula 30 Jahre Gefängnis.

Trotz ihres oft arg öffentlichkeitsheischenden Eifers empfinden viele Brasilianer und ausländische Wirtschaftsvertreter das Vorgehen der Juristen als wohltuend. Sie hoffen, dass "sich die Curitiba-Boys, so Gott will, nicht mehr abschütteln lassen", wie es ein deutscher Geschäftsmann ausdrückt. "Und deshalb soll ihnen auch die Glorie der Selbstgerechtigkeit gebühren, wenn Brasilien am Ende den Weg in eine bessere Zukunft findet."

Da nimmt man auch knallige Methoden in Kauf: wie Dallagnols etwas plumpe Powerpoint-Präsentation, die nun Renner in sozialen Netzwerken ist. "Bastel dir dein eigenes Lula-Powerpoint", heißt es dort, es gibt Hunderte Parodien. Könne es nicht sein, so wird da in weißer Schrift auf blauem Grund lustig insinuiert, dass Lula auch für die Armut in Afrika, den Klimawandel und Donald Trump verantwortlich ist?

© SZ vom 17.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: