Brandenburg:Drei Parteien, drei Probleme

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Wer regiert in Zukunft mit der SPD in Potsdam? Die CDU hadert noch mit den Grünen, die Grünen wollen nicht enden wie die Linke und warten lieber erst einmal ab.

Von Jan Heidtmann, Potsdam

Aufräumen nach der Wahl: Die Koalitionsgespräche in Brandenburg wurden durch den Rücktritt von CDU-Chef Senftleben verzögert. (Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Welche Richtung die Woche nach einer Wahl nimmt, das wird oft schon am selben Abend deutlich. Nach den ersten Hochrechnungen treffen sich die Parteien, um zu feiern oder um zu trauern und es ist dann interessant zu sehen, wer dabei wessen Party crasht. Am Sonntagabend in Potsdam war es Erik Stohn, Generalsekretär der Brandenburger SPD, der seine Kreise zog. Er besuchte die Grünen, die Linke aber auch die CDU. Als Erkenntnis brachte er mit, dass sich alle eine Regierung mit einem Ministerpräsidenten Dietmar Woidke vorstellen könnten - selbst die Christdemokraten, entgegen früherer Äußerungen ihres Spitzenkandidaten.

Was eine künftige Koalition angeht, sind somit am Tag nach der Wahl drei Dinge klar: Für ein regierungsfähiges Bündnis jenseits der AfD braucht es mindestens drei Parteien. Zwei dieser drei Parteien werden die SPD und die Grünen sein; die Dritte im Bunde ist entweder die Linke oder die CDU. Eine weitere, sehr unwahrscheinliche Variante wäre eine Koalition hauchdünnster Mehrheit aus SPD, CDU und BVB/Freien Wählern. Bereits am Donnerstag will die SPD erste Gespräche mit der CDU führen, dann mit der Linken und schließlich mit den Grünen.

Die SPD muss aufpassen, wie sie bei den Koalitionsgesprächen auftritt

Die dritte Gewissheit an diesem Tag danach: Es wird verdammt kompliziert. Denn alle Parteien gehen mit ihrem eigenen "Thema", wie es beim Psychologen immer so schön heißt, aus dieser Wahl. Die Sozialdemokraten haben über fünf Prozentpunkte verloren und fühlen sich dennoch als Sieger. Sie haben im Wahlkampf gemessen an früheren Umfragen fast zehn Prozent aufgeholt und die AfD auf den zweiten Platz verwiesen; sie haben sich in Prozenten so stark von der Bundespartei abgesetzt, wie kein anderer Landesverband zuvor und selbst wenn sich Grüne und CDU in Brandenburg verbünden, sind sie gerade einmal so stark wie die SPD allein. Anders gesagt: Die SPD muss aufpassen, wie sie bei den Koalitionsgesprächen auftritt. Von den Verhandlungen 2014 wird erzählt, die Sozialdemokraten hätten einfach den Entwurf eines Koalitionsvertrags vorgelegt, an dem sich die Linke abarbeiten durfte. Das wird diesmal nicht so gehen.

Trotzdem galt eine Koalition von SPD und Linken im Wahlkampf als Wunschkonstellation beider Parteien. Doch die Linke bekam am Sonntag gerade einmal knapp elf Prozent der Stimmen, "ein katastrophales Ergebnis", meint Landesgeschäftsführer Stefan Wollenberg. "Wir können beides, wir können regieren, wir können auch Oppositionsarbeit leisten", sagt er. Was jetzt das Richtige sei, darüber werde in der Partei in dieser Woche in den Gremien intensiv diskutiert.

Auch die Christdemokraten haben erst einmal einiges mit sich selbst zu klären. Zum Beispiel, ob die eher liberale Linie ihres Spitzenkandidaten Ingo Senftleben überhaupt noch gilt. Oder ob sich die konservativen bis reaktionären Kräfte durchsetzen, denen eine Koalition mit Bündnis 90/Die Grünen ein Gräuel wäre. Senftleben hatte während des Wahlkampfes sogar eine Koalition mit der Linken für denkbar gehalten, am Sonntag kam er mit der CDU jedoch nur auf knapp 16 Prozent - über sieben Prozentpunkte weniger als bei der Landtagswahl 2014.

Nach vierstündiger Debatte am Montagabend beauftragte der Vorstand Senftleben, mit SPD, Grünen und Freien Wählern zu verhandeln.

"Eine neue Regierung braucht eine neue und eine eigene Idee"

Die Lage der Grünen wiederum skizziert Landeschef Clemens Rostock so: "Wir sind ein bisschen in der Warteposition." Denn anders als CDU und Linke habe seine Partei nichts zu klären. Sie wolle regieren - aber nur, wenn der Koalitionsvertrag stimme. Was genau das heiße, müsse ausverhandelt werden, sagt Rostock, eine rote Linie aber gebe es: Kein Dorf darf mehr dem Braunkohletagebau weichen müssen. Und es geht ihm auch um Stilfragen einer solchen Regierungskoalition: "Die Linken haben sehr gelitten", sagt Rostock. "Das haben wir uns genau angesehen und so werden wir nicht mit uns umgehen lassen."

Abseits der Befindlichkeiten der Partner und der Arithmetik eines neuen Bündnisses geht es den möglichen Koalitionären auch um dessen Vision. "Eine neue Regierung braucht eine neue und eine eigene Idee", sagt Thomas Kralinski (SPD), Staatssekretär in Potsdam und Bevollmächtigter des Landes Brandenburg beim Bund. Der Sinn der Koalition dürfe nicht nur darin bestehen, den Einfluss der AfD abzuwehren. Das könne nur gelingen, wenn die Koalitionäre gleichberechtigt miteinander umgingen. "Im Zweifel hieße das, dem Partner auch mal etwas zu gönnen."

In der Landespressekonferenz am Montag ist es dann CDU-Generalsekretär Steeven Bretz, den diese Frage ebenfalls umtreibt. "Es ist wichtig, dass die Koalition ein eigenes Narrativ entwickelt", sagt er. Am Ende müsse die Regierung "ein Ergebnis liefern, wo sich alle wiederfinden".

© SZ vom 03.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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