Bolivien:Der Saubermann wankt

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Darf er noch mal? Evo Morales, 57, ist seit 2006 Präsident Boliviens. Er will die Verfassung ändern lassen, um noch ein viertes Mal anzutreten. (Foto: Fernando Bizerra Jr./dpa)

Skandale gefährden eine weitere Amtszeit des seit 2006 regierenden, bolivianischen Präsidenten Evo Morales.

Von Sebastian Schoepp, München

Seit zehn Jahren regiert Evo Morales Bolivien, das ist Rekord. Ebenfalls rekordverdächtig für einen lateinamerikanischen Präsidenten ist, dass er in all diesen Jahren sein Privatleben vor der Öffentlichkeit verbergen konnte. Morales hat weder Frau noch Kinder, auch das ist ungewöhnlich im familienverrückten Lateinamerika, einzig seine Fußball-Leidenschaft ist kontinentweit bekannt. Nun aber scheint ausgerechnet er von einer privaten Affäre eingeholt zu werden, die seine Glaubwürdigkeit erschüttert.

Das kommt ungelegen, denn am Sonntag stimmen die Bolivianer darüber ab, ob der jetzt 57-Jährige 2019 zum vierten Mal antreten darf, dann würde er im Falle seiner Wahl bis 2025 regieren. Die neue Verfassung, die Morales 2009 selbst durchgesetzt hatte, erlaubt eigentlich nur zwei Amtszeiten. Eigentlich hätte er ja schon drei, aber die erste, die 2006 begann, lässt er in der Zählung nicht gelten, weil sie ja vor Inkrafttreten dieser Verfassung lag. In jener Zeit, nämlich 2007, hatte Morales offenbar auch eine Freundin, Gabriela Zapata, damals in den Zwanzigern, während Morales stramm auf die fünfzig zusteuerte. Sie hatten sogar ein Kind zusammen, das aber kurz nach der Geburt starb.

Das wäre seine Privatsache, wenn Gabriela Zapata heute nicht leitende Managerin einer chinesischen Firma wäre, die vom bolivianischen Staat Millionenaufträge erhalten hat. Die Opposition und regierungskritische Medien witterten sofort Korruption. Hatte Evo seine frühere Freundin begünstigt, ihr den Job zugeschanzt oder dem Unternehmen Aufträge? Morales hat eine Zeit lang in der Sache geschwiegen und dann bekannt gegeben, er habe 2007 den Kontakt zu Zapata abgebrochen. Doch kurz darauf veröffentlichte eine Nachrichtenagentur Fotos von einer Karnevalsfeier von 2015, auf denen Morales die Dame lächelnd begrüßt und umarmt. Morales sagte später, es könne sein, dass die Frau ihm bekannt vorgekommen sei.

Das Geeiere lässt Zweifel an der Aufrichtigkeit des Präsidenten aufkommen, der sein Saubermann-Image stets pflegt. Dass die Prognosen für Sonntag einen knappen Ausgang vorhersagen, lässt sich mit dieser für südamerikanische Verhältnisse eher läppischen Eskapade freilich nicht alleine erklären. Bei der Wahl 2014 hatte Morales 60 Prozent der Stimmen bekommen. Doch seine Umfragewerte sinken in dem Maße, wie die Unzufriedenheit in seiner ureigenen Klientel wächst - trotz stabiler Staatsfinanzen, Wachstum und einem bescheidenen Sozialsystem. Es waren die indigenen Völker, denen die Wahl des Aymara-Präsidenten 2006 neues Selbstbewusstsein verliehen hatte. Doch seine Partei MAS regiert mit Zweidrittelmehrheit derart unangefochten, dass manche Funktionäre Versuchungen nicht widerstehen konnten und etwa einen Fonds für Entwicklungsarbeit plünderten. Ausgerechnet in Morales' Hochburg El Alto, jener riesigen Armensiedlung auf 4000 Metern Höhe, ist seit 2015 eine junge Aymara-Frau Bürgermeisterin, die der Opposition angehört. Bei Protesten in El Alto kamen am Mittwoch sechs Menschen um, als Demonstranten das Rathaus in Brand steckten. Die Behörden der Stadt werfen der Polizei und der Regierung nun vor, sie habe den Konflikt eskalieren lassen und die Verwaltung nicht geschützt.

Ansonsten ist die Opposition für eine Demokratie ungesund schwach. Sie wird angeführt von dem Zementunternehmer Samuel Dora Medina, der punkten wollte, indem er eine gefälschte Friseurrechnung von Morales im Internet verbreitete, die belegen sollte, dass der Präsident Unsummen für seinen Haarschnitt ausgebe.

Morales sieht das alles als Verschwörung, angezettelt von den USA; schon wieder wird erwogen, den Botschafter auszuweisen. Die Regierung wirft nordamerikanischen NGOs wie der vom US-Kongress mitfinanzierten Stiftung National Endowment for Democracy vor, Oppositionsorganisationen zu päppeln, die Morales "Messianismus" vorwerfen und die No-Kampagne unterstützen.

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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