Börse:Siemens trennt sich von Traditionssparte

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Mitarbeiter der Siemens-Turbinensparte: Die großen Anlagen waren einst eine sichere Bank im Konzern, nun sind sie zum Auslaufmodell geworden. (Foto: Krisztian Bocsi/Bloomberg)

Vorstandschef Joe Kaeser will sein kriselndes Kraftwerksgeschäft abspalten, an die Börse bringen und Tausende Jobs streichen. Damit baut er das Unternehmen weiter radikal in einen Digitalkonzern um.

Von Thomas Fromm, München

Siemens-Chef Joe Kaeser gliedert mit der kriselnden Öl- und Gas-Sparte ein weiteres großes, traditionelles Geschäftsfeld aus und baut das Unternehmen damit radikal in einen Digital-Konzern um. Wie das Unternehmen am Dienstag nach einer Aufsichtsratssitzung mitteilte, soll das Kraftwerksgeschäft mit der Energieübertragung bis September 2020 als eigenständiges Unternehmen an die Börse gebracht werden. Damit trennt sich der Konzern ein Stück weit von einem seiner ältesten und größten Geschäftsbereiche. Auch der Mehrheitsanteil von Siemens an der Windkraft-Tochter Siemens Gamesa von 59 Prozent soll in die Gesellschaft eingebracht werden, zu der dann 80 000 der insgesamt 380 000 Mitarbeiter von Siemens gehören und die auf 30 Milliarden Euro Umsatz kommt. "Die Veränderung ist ein großer Schritt für Siemens", sagte Kaeser. "Wir zerschlagen nichts, wir schaffen neue Unternehmen."

Weltweit sollen bei dem Umbau zunächst mehr als 10000 Stellen gestrichen werden. Der Siemens-Chef kommt seinem Ziel, den Konzern neu auszurichten, indem er einzelne Geschäftsbereiche auslagert und ihnen mehr Eigenständigkeit gibt, um sie schneller und flexibler zu machen, damit immer näher. Der Mischkonzern wird Stück für Stück in eine Art Holding verwandelt: Das Windenergiegeschäft ist bereits in dem deutsch-spanischen Unternehmen Siemens Gamesa aufgegangen, die Medizintechniksparte wurde unter dem Namen "Healthineers" an die Börse gebracht. Die Zugsparte sollte nach Kaesers Plänen eigentlich mit dem französischen Konkurrenten Alstom zusammengelegt werden, was allerdings an der EU-Wettbewerbskommission scheiterte. Nun wird auch hier ein Börsengang angepeilt. Die Münchner wollen nach einem Börsengang der Kraftwerkssparte nur noch eine Minderheitsbeteiligung an dem Geschäft behalten; die Mehrheit der Aktien wird an die eigenen Siemens-Altaktionäre verschenkt.

Diese Art und Weise, sich eines Geschäfts zu entledigen, ist bei Siemens bereits erprobt: Über einen Börsengang und die Ausgabe von Anteilsscheinen an Aktionäre hatte man sich bereits von der Leuchtentochter Osram getrennt. Ob das Kraftwerksgeschäft ein Selbstläufer an der Börse wird, ist heute fraglich. Der Gewinn im Kraftwerksgeschäft schrumpfte im vergangenen Geschäftsjahr um drei Viertel auf 377 Millionen Euro, 6000 Jobs werden abgebaut. Die Energiebranche wandelt sich rasant, weg von Kohlekraftwerken in Richtung erneuerbarer Energien wie Wind und Sonne und von Großkraftwerken hin zu dezentraler Energieerzeugung. Vor allem die Gasturbinen, einst eine sichere Bank im Industriekonglomerat aus München, gelten heute als ein Auslaufmodell.

Bis zuletzt war spekuliert worden, Siemens könnte das Geschäft in ein Gemeinschaftsunternehmen mit Mitsubishi Heavy Industries geben. Gegen ein Modell, bei dem Siemens nur eine Minderheit in einem solchen Joint Venture gehalten hätte, hatten sich allerdings die Arbeitnehmervertreter bei Siemens gestemmt. "Wir haben erreicht, dass mit dem geplanten Börsengang in Deutschland die Unternehmensmitbestimmung erhalten bleibt und Siemens sich damit auch zu den Arbeitsplätzen in Deutschland und Europa bekennt", sagte Birgit Steinborn, stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrates.

© SZ vom 08.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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