Böhmermann:Heißes Eisen

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Die Türkei verlangt, dass der Satiriker Jan Böhmermann für sein Schmähgedicht strafrechtlich verfolgt wird. Berlin prüft die Forderung aus Ankara.

Von Stefan Braun und Hannes Vollmuth, Berlin

Die Affäre um den Satiriker Jan Böhmermann lässt die Bundesregierung nicht so schnell los. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hat nun über eine Anwaltskanzlei Strafantrag wegen Beleidigung gegen den ZDF-Satiriker Jan Böhmermann gestellt. Der Antrag werde geprüft, teilte die Staatsanwaltschaft in Mainz am Montagabend mit. Dort liegen bereits mehrere Anzeigen gegen Böhmermann vor, nachdem er Erdoğan in der Satiresendung "Neo Magazin Royale" beleidigt hatte. Zuvor hat die türkische Regierung bereits auf anderem Wege versucht, auf eine Strafverfolgung Böhmermanns hinzuwirken. Am Wochenende hatte Ankara eine Verbalnote an das Auswärtige Amt geschickt. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, die hiesigen Behörden zur Aufnahme von Ermittlungen wegen "Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten" zu ermächtigen. Dieser Straftatbestand ist in Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs festgehalten. Die Behörden können aber nur tätig werden, wenn ein entsprechender Antrag einer Staatsregierung eingeht und die Bundesregierung sie darüber hinaus zu Ermittlungen ermächtigt. Ob die Bundesregierung in dieser politisch heiklen Frage so weit geht, war am Montag offen. Regierungssprecher Steffen Seibert kündigte in Berlin an, dass sich die Bundesregierung einige Tage Zeit nehmen werde, bevor sie entscheide, ob sie der türkischen Forderung nach einem Ja zu einem Strafprozess gegen Böhmermann nachgibt oder nicht. Zunächst sollten sich am Montag Rechtsexperten des Kanzleramts, des Auswärtigen Amtes und des Justizministeriums zusammensetzen, um die juristischen Umstände einer solchen Verfolgungsermächtigung zu erörtern. Am Ende aber wird die Regierungsspitze entscheiden müssen. Seibert betonte, das werde keine Sache von Wochen sein, sondern in einigen Tagen entschieden werden. Böhmermann hatte in seiner ZDF-Satiresendung "Neo Magazin Royale" den türkischen Präsidenten beleidigt. Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmuş nannte dies am Montag ein "schweres Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Seiner Ansicht nach hat der Satiriker damit nicht nur Erdoğan, sondern alle Türken beleidigt. Seibert betonte mehrfach, dass für die Kanzlerin der Artikel fünf des Grundgesetzes "selbstverständlich höchstes Gut" und deshalb auch nicht verhandelbar sei. Das gelte im Übrigen auch vollkommen unabhängig davon, ob sie einen Beitrag für gelungen halte. Seibert betonte dezidiert, mit dieser Botschaft wolle er auch dem Eindruck entgegentreten, die Kanzlerin räume diesem Grundrecht auf Meinungs- und Kunstfreiheit nicht mehr den allerhöchsten Stellenwert ein, weil die EU, Deutschland und die Türkei gerade gemeinsam an einer Lösung der Flüchtlingskrise arbeiten würden. "Grundrechte sind unverhandelbar, unabhängig davon, ob Deutschland gerade mit anderen an großen Herausforderungen arbeitet", sagte Seibert.

Weil der Star des Abends fehlte: Der Schauspieler Max Mauff vor der Verleihung der Grimme-Preise. (Foto: Andreas Rentz/Getty Images)

Er reagierte damit auch auf einen Auftritt eine Woche zuvor. Damals hatte Seibert berichtet, dass Merkel in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu den Böhmermann-Text als "bewusst verletzend" bezeichnet habe. Jetzt sagte Seibert, Böhmermann habe den Text selbst als bewusste Grenzüberschreitung eingeleitet. "Das und nichts anderes wollte die Bundeskanzlerin mit der Formulierung, der Text war bewusst verletzend, deutlich machen", so Seibert.

Die Bundesregierung betonte am Montag gleich mehrfach, ihre Entscheidung dürfe nicht verwechselt werden mit einem juristischen Richterspruch über Böhmermanns Gedicht. Recht sprechen könne nur ein Gericht, nicht aber die Regierung.

Die türkische Regierung bezieht sich auf Paragraf 103 des deutschen Strafgesetzbuchs. Darin heißt es: "Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt (. . .) beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft." Paragraf 104 a regelt das Verfahren. Er enthält die Voraussetzung, dass die ausländische Regierung einen entsprechenden Antrag auf Strafverfolgung stellt - und die Bundesregierung die Staatsanwaltschaft dazu ermächtigt.

Wenn Berlin der Forderung aus Ankara nicht nachgibt, wäre aber wohl immer noch Erdoğans private Strafanzeige in Mainz anhängig.

© SZ vom 12.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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