Bildung:Digitalisierung: mangelhaft

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Lernen am Laptop: Sollten Eltern kontrollieren, ob ihre Kinder auch wirklich etwas für die Schule machen? (Foto: Stefan Puchner/dpa)

Eine Studie kritisiert Unterricht und Ausstattung der Schulen mit Geräten und Internet. Die Autoren vermissen eine überzeugende Strategie, wie mit modernen Medien gelehrt und gelernt werden soll.

Von Paul Munzinger, München

Tausende Eltern, Kinder und Jugendliche erfahren es seit Mitte März am eigenen Leib, nun ist auch wissenschaftlich von höchster Stelle bestätigt: Die deutschen Schulen sind auf digitalen Unterricht nur mangelhaft vorbereitet. Zu diesem Fazit kommt der jüngste Nationale Bildungsbericht, den eine Gruppe von Wissenschaftlern im Auftrag der Bundesregierung und der Länder erstellt und am Dienstag in Berlin vorgestellt hat. Ein "beträchtlicher Teil" der Bevölkerung - Kinder und Jugendliche ebenso wie Erwachsene - verfüge "bislang allenfalls über rudimentäre digitale Kompetenzen", heißt es in der alle zwei Jahre veröffentlichten Untersuchung.

2018, als Corona noch fern war und die meisten für die Studie verwendeten Daten erhoben wurden, bereiteten sich demnach 42 Prozent der Achtklässler mit digitalen Medien auf die Schule vor - in der Schule nutzten diese nur 23 Prozent. Weniger als die Hälfte der Schüler hatte Zugriff auf ein Lernmanagementsystem, gerade einmal ein Viertel auf W-Lan in der Schule. Bund und Länder haben unter dem Druck der Ereignisse mittlerweile nachgesteuert und unter anderem den Digitalpakt um 500 Millionen Euro aufgestockt. Für das nächste Schuljahr haben sich die Länder jüngst vorgenommen, "die Digitalisierung des Lehrens und Lernens" weiter voranzutreiben. Das Urteil des Bildungsforschers Kai Maaz, Mitverfasser der Studie und Sprecher der Autorengruppe, ist trotzdem mehr als deutlich. "Bislang", sagt er, "fehlt es an einer überzeugenden und abgestimmten Strategie für die Bildung in einer digitalisierten Welt."

Ob digitale Medien eingesetzt werden, hängt stark von der "Grundhaltung des Personals" ab

Die Länder wollen auch die Fortbildung der Lehrkräfte "zügig" ausbauen. Und auch in diesem Punkt bestätigt der neue Bildungsbericht viele Erfahrungen der vergangenen Monate. Ob und wie digitale Medien eingesetzt werden, hänge stark von der Lehrerin oder dem Lehrer ab, von der "Grundhaltung des Personals", wie es in der Studie heißt. Und nicht selten entpuppt sich das, was als digitale Lehre verkauft wird, als analoger Unterricht im modernen Gewand - das Arbeitsblatt als pdf ist dafür das wohl berüchtigtste Beispiel. Die vergangenen Wochen, sagte Bundesbildungsbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) bei der Vorstellung des Berichts, seien wie ein "Feldversuch für die Bildung" gewesen. Und die Schulen, räumte sie ein, hätten "noch einiges zu tun".

Bemerkenswert sind darüber hinaus vor allem zwei Entwicklungen, die der Bericht aufzeigt. Erstens: Die "einst rigiden Strukturen im Bildungssystem" sind in den vergangenen Jahren durchlässiger geworden - das System sei "so flexibel wie noch nie", sagt Forscher Maaz. Das liegt vor allem daran, dass das einst dreigliedrige Schulsystem - Gymnasium, Realschule, Hauptschule - in vielen Ländern einem zweigliedrigen gewichen ist. Neben dem Gymnasium gibt es dort eine weitere Schule, etwa die Gemeinschaftsschule, die alle Abschlüsse anbietet. Die Folge: Nach wie vor trennen sich die Wege der Schüler früh, in den meisten Ländern nach der vierten Klasse. Doch auf welche Schule ein Kind dann wechselt, ist nicht mehr so vorentscheidend. "Bildungswege werden heutzutage nach der Grundschule weniger vorbestimmt als früher", heißt es in der Studie.

Stark gestiegen ist auch der Anteil der Bevölkerung, der über eine Hochschulreife verfügt. 2008 traf das noch auf ein Viertel der Menschen über 15 Jahren zu, 2018 auf ein Drittel. Doch dieser "über viele Jahre anhaltende Trend zu höherer Bildung" ist dem Bericht zufolge an einer Grenze angelangt. Die Übergangsquoten auf das Gymnasium stagnierten, in manchen Ländern seien sie sogar rückläufig, ebenso wie die Quote der Abiturienten. Erreichten 2014 noch 53 Prozent der Absolventen eine allgemeine oder eine Fachhochschulreife, waren es vier Jahre später 50 Prozent. Gestiegen ist dafür eine andere Zahl: Die der Schüler, die durch alle Raster fallen und die Schule ohne jeglichen Abschluss verlassen. Seit 2013 erhöhte sich ihr Anteil von 5,7 auf 6,8 Prozent.

© SZ vom 24.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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