Bildung:Auf den zweiten Blick

Die OECD lobt in ihrem jüngsten Bericht das deutsche Bildungssystem. Wie viel das mit der Realität zu tun hat, ist fraglich.

Von Johann Osel

Geschimpft wird über das Bildungssystem häufiger als gejubelt. Ein recht gutes Zeugnis bekommt Deutschland nun aber von der OECD. Die Macher der berüchtigten Pisa-Studie loben zum Beispiel, dass die Bundesrepublik im Vergleich die besten Job-Chancen für junge Leute bietet. Doch die Bildungspolitiker sollten mit Eigenlob sparsam umgehen. Denn diesen Erfolg beschert weniger eine grandiose Schulpolitik, vielmehr sind es Wirtschaftskraft, Konjunktur und Arbeitsmarkt. Und der Bericht ist letztlich nur ein statistischer Ausschnitt.

Natürlich, seit dem Pisa-Schock hat sich viel getan in Kitas, Schulen und Unis. Zur Bildung hierzulande gibt es aber auch Folgendes zu sagen: Laut Lehrerverbänden fallen bis zu einer Million Schulstunden pro Woche aus, für Sozialarbeiter fehlt vielerorts Geld, Gebäude sind marode. Auch wenn die Zahl der "Bildungsverlierer" sinkt, es gibt sie: Sechs Prozent der Schüler schaffen keinen Abschluss. Trotz Aufholjagd bei den Pisa-Tests rechnen 18 Prozent der Neuntklässler quasi auf Grundschulniveau. Wer aus armen Verhältnissen stammt, bleibt viel zu oft dort. Unterricht läuft mitunter ab wie im Kaiserreich, Pauken und Abspulen, unkreatives Lernen. Nur ohne Rohrstock.

Bildung ist heute Herzensthema von Politik und Gesellschaft, das zahlt sich aus. Der OECD-Bericht - Titel: "Bildung auf einen Blick" - zeigt dies auf. Doch es ist eben nur ein Blick. Ein zweiter lohnt.

© SZ vom 25.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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