Besorgter Umweltminister:Der Klimawandel - so gefährlich wie Atomwaffen

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Weil er drastische Gefahren durch den Klimawandel sieht, will Umweltminister Gabriel den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2020 verdreifachen. Gute Idee, nur festlegen lassen will sich darauf kaum einer.

Thorsten Denkler und Michael Bauchmüller

Umweltminister Sigmar Gabriel ist bekannt dafür, sich große Ziele zu stecken. Das nicht zuletzt, seit er den Klimawandel für sich als Thema entdeckt hat. Heute verkündete er in Berlin den möglichen Fahrplan zum Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland bis zum Jahr 2050.

Stimmen die Berechnungen aus seinem Haus, die er als "Leitstudie 2007" vorgestellt hat, dann könnte bis 2020 den Anteil der Erneuerbaren Energien an der Energieproduktion auf 16 Prozent verdreifacht werden. Das wären sechs Prozentpunkte mehr, als im Koalitionsvertrag vorgesehen. Bis 2050 soll dann knapp die Hälfte des deutschen Energiebedarfs über erneuerbare Energien gedeckt werden.

Diese Ziele seien "ambitioniert" aber auch notwendig, sagte Gabriel. Der Klimawandel sei schon heute spürbar. Er habe die Qualität einer "Menschheitskatastrophe". "Ich vergleiche das, was da auf uns zurollt mit dem Kalten Krieg und der Bedrohung durch Atomwaffen", sagte Gabriel.

Gabriels Problem ist im Moment: Auf seine ambitionierten Ziele will sich im Moment keiner festnageln lassen. In der Europäischen Union liegt die Forderung auf dem Tisch, den CO2-Ausstoß bis 2020 in den Industriestaaten um 30 Prozent zu reduzieren. Das entspräche dem, was aus wissenschaftlicher Sicht notwendig wäre, um den Temperaturanstieg auf der Erde nicht über durchschnittlich zwei Grad steigen zu lassen.

"Verdammt gut angelegtes Geld"

Erreicht wird das aber nur, wenn alle Länder der Erde mitmachen. Kommt es zu keiner internationalen Lösung, will die Europäische Union im Alleingang wenigstens 20 Prozent CO2 einsparen. Allerdings stemmen sich auch hier etwa die Franzosen gegen jede Form von Verbindlichkeit.

Gabriel will das Thema deshalb von der Fachministerebene auf die Ebene der Regierungschefs verlagert sehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel wolle den Klimaschutz auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm zum Thema machen, kündigte Gabriel an. Zu den Gesprächen eingeladen werden sollen auch wichtige Schwellenländer wie Brasilien oder Indien.

Gabriel verwies auch auf den wirtschaftlichen Nutzen der erneuerbaren Energien. Nach seinen Angaben stieg die Zahl der Beschäftigten in dieser Branche von 157.000 im Jahr 2004 auf 214.000 im vergangenen Jahr. Ein weiterer Ausbau wäre damit auch wirtschaftlich von enormer Bedeutung. Dass dies derzeit nur mit Subventionen möglich wäre, nimmt Gabriel billigend in Kauf. "Das ist verdammt gut angelegtes Geld", sagte er.

Die Erkenntnis ist inzwischen beiden Koalitionspartnern gemein - nur über die Ziele sind sie uneins. Die CDU etwa will in ihrem neuen Grundsatzprogramm alle anderen Parteien in den Schatten stellen: 35 Prozent allen deutschen Stroms, hieß es in ersten Entwürfen, sollten bis 2020 aus erneuerbaren Quellen kommen.

Nach internen Debatten ist das nun auf 30 Prozent zurückgenommen. So viel freilich fordern nicht einmal die Grünen. "Da ist ein hehrer Wettbewerb um die höchsten Ziele ausgebrochen", ätzt SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber. In der Praxis aber bremse die Union den Öko-Aufbruch. "Wir freuen uns über so viel Engagement", sagte Kelber sueddeutsche.de. "Jetzt wollen wir Taten sehen."

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