Beschluss mit drei Notkrediten:Haushalt könnte Fall für Verfassungsgericht werden

Lesezeit: 3 min

Monika Heinold (l, Bündnis 90/Die Grünen), Finanzministerin, und Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident, sind im Gespräch. (Foto: Frank Molter/dpa)

Der Landtag beschließt den Haushalt mit drei Notkrediten für 2024. Und die Opposition bereitet bereits eine Klage vor dem Verfassungsgericht vor.

Von André Klohn, dpa

Kiel (dpa/lno) - Beim Haushalt liegen Regierung und weite Teile der Opposition in Schleswig-Holstein gewaltig über Kreuz. Während der Landtag am Mittwoch mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen von CDU und Grünen sowie des oppositionellen SSW den umstrittenen, mit drei Notkrediten über insgesamt 1,5 Milliarden Euro finanzierten Haushalt für 2024 verabschiedete, bereiteten die beiden größten Oppositionsfraktionen SPD und FDP bereits den Gang vor das Landesverfassungsgericht vor.

Im Plenum lieferten sich beide Seiten über Stunden einen Schlagabtausch. Deutschland erlebe eine Wirtschaftskrise und habe derzeit keine Aussicht auf mehr Steuereinnahmen, sagte CDU-Fraktionschef Tobias Koch. Nur bei den 154 Millionen Euro für die Folgen der Jahrhundert-Sturmflut an der Ostsee im Oktober handele es sich um einen neuen Notkredit. Mit dem Corona-Kredit setze die Koalition lediglich Beschlüsse des Landtags von 2020 um. „Wir machen das, was vereinbart war“, betonte Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter. „Ich bin überzeugt, dass dieser Haushalt und auch die Notkredite verfassungskonform sind.“

Schwarz-Grün stört es, dass aus der Opposition - anderes als sonst - nur vom SSW eigene Vorschläge zum Haushalt kamen. Es sei eine Stärke der Demokratie, kontrovers über den besten Weg zu ringen, sagte Finanzministerin Monika Heinold (Grüne). „Aber dafür braucht es auch Alternativen.“ Sie erinnerte daran, dass der Landtag noch mit den Stimmen der SPD bereits im November eine außergewöhnliche Notsituation auch für 2024 festgestellt habe.

Noch deutlicher wurde CDU-Mann Koch: „Mitten in der Krise ducken sich SPD und FDP hier weg.“ Wenn Fraktionen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Haushalts hätten, wäre es das Mindeste gewesen, eigene Vorschläge zu machen. Wenn die Opposition glaube, dass die angedachten Mittel für den Schulbau nicht aus dem Notkredit stammen dürften, hätte sie deren Streichung beantragen können.

Opposition bereitet Verfassungsklage vor

SPD und FDP bezweifeln, dass der Etat im Umfang von knapp 18 Milliarden Euro verfassungskonform ist. Sie haben den Bielefelder Rechtswissenschaftler Simon Kempny als Prozessbevollmächtigten bestimmt. Oppositionsführerin Serpil Midyatli (SPD) rechnet spätestens Anfang Juni mit der Vorlage seines Gutachtens. „Wir behalten uns vor, eine Normenkontrollklage anzustrengen“, sagten sie und FDP-Fraktionschef Christopher Vogt. Kempny vertrete bereits juristisch die SPD- und FDP-Fraktion in Nordrhein-Westfalen bei einer Normenkontrollklage gegen den Haushalt der dortigen schwarz-grünen Landesregierung.

Ihre Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Etats seien nicht ausgeräumt, sagte Midyatli. „Es wäre eine Katastrophe für dieses Land, wenn diese Landesregierung einen verfassungswidrigen Haushalt vorlegt.“ Der Haushalt löse keines der Probleme. „Schleswig-Holstein steckt in einer Haushaltskrise.“ Notwendig sei eine ehrliche Analyse und dass die Union ihren Widerstand gegen eine Reform der Schuldenbremse aufgebe. „Die finanzielle Lage des Landes ist zu schlecht.“

Vogt sprach von einer politischen Bankrott-Erklärung. Dass ausgerechnet das Bundesland, das nachweislich am besten durch die Corona-Pandemie gekommen sei, damit abermals einen Notkredit begründe, löse bundesweit nur noch Kopfschütteln aus. Der Haushalt sei aus dem Lot geraten, das Land in alte Zeiten zurückgefallen. 11 der 16 Bundesländer kämen ohne Notkredite aus. „Die anderen Bundesländer bekommen das hin, weil sie solider wirtschaften.“

Zudem wirke die Begründung für die Finanzierung kommunaler Radewege, als käme sie aus einem Loriot-Sketch, sagte Vogt und zitierte: „Radfahren stärkt nachweislich das Immunsystem und schützt so vor Erkrankungen - wie zum Beispiel Corona. Die Option Fahrrad ermöglicht es, insbesondere in der Erkältungszeit volle Busse und Bahnen zu vermeiden.“ Der Haushalt sei nur schwerlich durch Änderungsanträge zu heilen gewesen. Die Koalition spare nicht, sondern gebe das Geld der Bürger mit vollen Händen aus.

Wie wird der Haushalt finanziert?

Die Ausgaben in Höhe von knapp 18 Milliarden Euro finanziert die Koalition unter anderem mit drei neuen Notkrediten in Höhe von insgesamt 1,5 Milliarden Euro (Corona-Notkredit 573 Millionen Euro, Ukraine-Notkredit 798 Millionen Euro, Ostsee-Notkredit 154 Millionen Euro). Hinzu kommen 130 Millionen Euro konjunkturelle Schulden. Das Land ist aktuell mit gut 32 Milliarden Euro verschuldet.

Finanzministerin Heinold betonte, „die Finanzlage des Landes ist erheblich beeinträchtigt. Die Landesregierung hält den Haushalt für verfassungskonform und beschäftigt sich zudem intensiv mit der Aufgabe, den notwendigen Konsolidierungspfad umzusetzen.“

Sie sieht aktuell keine Alternative zu Notkrediten. „Lücken in der Finanzplanung lassen sich nicht mit politischen Debatten über die Schuldenbremse lösen.“ Das Bündnis habe sich für einen schrittweisen, abgefederten Sparkurs entschieden. Notkredite seien jedoch keine Dauerlösung. „Wir tilgen Not- und Konjunkturkredite wie gesetzlich vorgeschrieben.“

Schwarz-Grün wolle Förderungen auf den Prüfstand stellen, sagte Heinold. Dem Land sei es 2009 bereits einmal gelungen, den Haushalt zu sanieren. Heute seien die Rahmenbedingungen besser. „Damals lag die Zinssteuerquote bei 15,9 Prozent, heute liegt sie bei 4,7 Prozent. Damals lag die Investitionsquote bei 8,7 Prozent, heute planen wir mit 13,1 Prozent.“

SSW-Fraktionschef Lars Harms betonte, Notkredite seien weiter gerechtfertigt, um die Handlungsfähigkeit des Staates abzufedern. „Es würde aber in der Tat schwer, das Stichwort Corona im nächsten Jahr noch mal zu verwenden.“ Anders sehe das aber bei Ausgaben aus dem Sturmflut-Notkredit aus.

© dpa-infocom, dpa:240320-99-408400/3

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: