Berlusconi und die Scheidung:Papi ist der Beste

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Die Scheidungsabsicht seiner Frau macht Italiens Premier Berlusconi mehr Sorgen als seine politischen Gegner. In einer Talkshow versucht er, sich ins rechte Bild zu setzen.

Stefan Ulrich, Rom

Die Italiener sind von ihren Politikern viel gewohnt. Doch was sich den Bürgern am Mittwochabend im ersten Programm des Staatsfernsehens bot, war selbst für hiesige Verhältnisse bizarr. Da saß ein Mann im dunkelblauen Anzug auf einem weißen Sessel im Studio der wichtigsten politischen Talkshow "Porta a Porta".

"Das sind Fallen der Linken, die nicht ertragen, dass meine Popularität bei 75 Prozent liegt": Silvio Berlusconi verteidigt sich vor dem Bild seiner Frau. (Foto: Foto: dpa)

Hinter ihm blickte das gigantisch vergrößerte Gesicht seiner Noch-Ehefrau Veronica von einer Videoleinwand. Der 72 Jahre alte Mann - er ist fünffacher Vater und mehrfacher Großvater - klagte seine Gattin vor den Augen von Abermillionen an, sie sei auf verleumderische Geschichten seiner linken Gegner hereingefallen. Dann sagte er: "Es ist eine Lüge, dass ich mit Minderjährigen verkehre." Der Mann ist Silvio Berlusconi, der italienische Premier.

Beifall der Claqueure

Eigentlich hatte Berlusconi vor wenigen Tagen angekündigt, zum Scheidungsstreit mit seiner Frau Veronica Lario zu schweigen. Dann entschloss er sich, zu "Porta a Porta" zu gehen, das sein Freund Bruno Vespa moderiert. Schließlich ist er bisher gut damit gefahren, auf Attacken mit noch heftigeren Angriffen zu reagieren. Mit dieser Taktik hat er es im Falle seiner vielen strafrechtlichen Querelen geschafft, dass viele Italiener nicht mehr ihren Premier, sondern die Staatsanwälte als Problem empfinden. Und seine politischen Gegner, "die Herrschaften von der Linken", hat er über die Jahre auf Zwergengröße gestutzt.

Doch diesmal hat es Berlusconi mit einem Feind von anderem Format zu tun: mit seiner Ehefrau. Vor drei Jahrzehnten machte er der Schauspielerin Veronica Lario in einer Theatergarderobe den Hof. Er zeugte drei Kinder mit ihr, ließ sich von der Mutter seiner ersten beiden Kinder scheiden und heiratete die schmollmündige Schönheit schließlich 1990. Die Ehe verlief kaum glücklich. Berlusconi lebte sein Leben als bewegter Mann, rastlos pendelnd zwischen seinen Luxusvillen und den Palästen der Macht in Rom, zwischen Staatsvisiten und Diskothekenbesuchen. Dabei mühte er sich reichlich, zweideutige Szenen heraufzubeschwören. Vergangenes Jahr rühmte er sich: "Nach drei Stunden Schlaf habe ich genug Energie für drei Stunden Sex."

Veronica Lario widmete sich derweil in ihrer Villa "Belvedere" bei Mailand der Erziehung ihrer Kinder. Sie lebte luxuriös, aber wohl etwas einsam. Ihr 20 Jahre älterer Mann ließ sich selten blicken. Seine Eskapaden dürften sie zermürbt haben. Vergangenes Wochenende kündigte die Signora in den Medien die Scheidung an. Sie sehe sich dazu gezwungen, meinte sie. Italienische Zeitungen zitierten sie mit den Worten: "Ich kann nicht mit einem Mann zusammen sein, der mit Minderjährigen verkehrt." Eines der Blätter, das dem Medienunternehmer Berlusconi nahesteht, druckte im Gegenzug alte Fotos, die Frau Lario oben ohne zeigen.

Wenige Tage zuvor war der Premier des Nachts überraschend auf einer Party zum 18. Geburtstag einer blonden, langbeinigen Neapolitanerin namens Noëmi aufgetaucht. Sie nannte ihn "Papi" und erzählte, dass sie Berlusconi schon oft in Mailand oder Rom besucht habe. "Papi" schenkte ihr eine goldene Halskette mit Brillanten. Bei seiner Frau Veronica kam das nicht gut an.

In der Show "Porta a Porta" verteidigte sich Berlusconi jetzt unter dem Beifall der Claqueure, es habe sich um eine völlig harmlose Sache gehandelt. Noëmi sei die Tochter eines alten Freundes. Er sei doch nicht so verrückt, zu dieser Party zu gehen, "wenn jemand meinen könnte, dass in der Beziehung zwischen mir und der 18-Jährigen etwas Pikantes liege".

Zum Beweis des unschuldigen Charakters seines Besuches verwies er auf Fotos, die ihn mit den Köchen und Noëmis Eltern auf dem Fest zeigen. In italienischen Zeitungen und Internet-Blogs wird nun debattiert, ob die Bilder gefälscht sind.

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Berlusconi versicherte in "Porta a Porta" auch, der Vorwurf seiner Frau sei haltlos, er lasse auf den Listen seiner Partei "Volk der Freiheit" Showgirls für die Europawahl im Juni aufstellen, um sich mit deren Kurven zu schmücken. Solche Behauptungen seien "Fallen der Linken und ihrer Presse, die nicht ertragen, dass meine Popularität bei 75 Prozent liegt". Dann kam Berlusconi auf seine Familie zu sprechen. Er lobte sich als "absolut außergewöhnlichen und äußerst geliebten Vater". Besonders stolz sei er auf einen seiner Enkel. "Schon im Alter von einem Jahr zählt er bis 15 und kennt alle Blumennamen. Ich nenne ihn deshalb meinen kleinen Dalai Lama."

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"Eine öffentliche Angelegenheit"

Man könnte das alles als Schmieren-Oper namens "Berlusconi-Clan" ignorieren, wenn es nicht auch um die Politik eines großen europäischen Industriestaates ginge, der gerade den Vorsitz der G-8-Gruppe führt. Das Ehepaar Berlusconi hat seine privaten Probleme dabei selbst in die Politik gezogen - Veronica Lario, weil sie ihren Mann in den Medien angriff, Silvio Berlusconi, weil er öffentlich konterte und die ganze Affäre als Verschwörung der Opposition hinstellt.

Diese lässt sich die Gelegenheit nicht entgehen, den ungeheuer populären Regierungschef zu schwächen. Wenn die Ehefrau den Premier beschuldige, sich mit Minderjährigen einzulassen, dann sei das keine Privatsache mehr, sondern eine öffentliche Angelegenheit, sagt Oppositionsführer Dario Franceschini.

Für Berlusconi, der sich gerade noch auf dem Höhepunkt seiner Macht und seines Ansehens in Italien befand, sind die Szenen seiner Ehe aus drei Gründen politisch gefährlich. Einmal sorgt sich der G-8-Vorsitzende um sein Bild im Ausland und bei ausländischen Regierungen.

Aus seinem Umfeld ist zu erfahren, er sei verärgert über seine Diplomaten und Presseleute, weil sie unfähig seien, sein Image außerhalb Italiens zu pflegen. Zum Zweiten könnte es in der Wirtschaftskrise bei Jungwählern, die größte Mühe mit der Jobsuche haben, schlecht ankommen, wenn der Eindruck entsteht, ihr Premier achte bei der Vergabe von Ämtern und Abgeordneten-Kandidaturen mehr auf Formen als aufs Format.

Monsignori denken um

Am unangenehmsten ist für den Premier aber die Auswirkung seines öffentlichen Ehekrachs auf sein Verhältnis zur katholischen Kirche. Verblüffenderweise hielt diese Berlusconi bislang für den passenden Partner im Kampf gegen Relativismus, Sitten- und Werteverfall im modernen Italien. Nun scheinen einige Monsignori umzudenken.

So fordert Avvenire, die Zeitung der italienischen Bischofskonferenz, Berlusconi zur "Mäßigung" auf und kommentiert: "Die menschliche Substanz eines Führers, sein Stil und die Werte, mit denen er sein Leben prägt, sind nicht gleichgültig."

Der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper legt jetzt nach, mit seinem öffentlich ausgefochtenen Scheidungs-Spektakel gebe Berlusconi ein schlechtes Beispiel: "Wenn sich ein Schauspieler oder ein Sänger so benimmt, wäre das auch schlecht. Noch überraschender und befremdender aber ist es, dass es sich hier um einen Regierungschef handelt."

© SZ vom 07.05.2009/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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