Berlin:Wenn Partner sich plagen

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Die Rolle des Zuschauers, die er neben Wowereit innehatte, genügt ihm nicht mehr: CDU-Chef Frank Henkel attackiert die Sozialdemokraten im Roten Rathaus, um mehr Profil zu gewinnen. Das Verhältnis ist gestört.

Von Jens Schneider, Berlin

Die Woche begann mies für Frank Henkel. Der Untersuchungsausschuss zum Berliner Pannenflughafen BER hatte den Innensenator als Zeugen geladen. Vor diesem Ausschuss kann keiner gewinnen, bei diesem Desaster. Aber Henkel, der Landesvorsitzende der CDU, offenbarte vor neun Tagen Ahnungslosigkeit. Der Ausschuss wollte wissen, wie er als Mitglied des Aufsichtsrats das Fiasko vor drei Jahren erlebte, als plötzlich die Eröffnung abgesagt werden musste. Die Absage "kam für mich völlig überraschend", bekannte er, sprach von einem "Überraschungsschock". Mängel? Ihm sei alles sehr professionell vorgekommen. Spöttisch fragte ein Abgeordneter, wie Henkel überhaupt in den Aufsichtsrat gekommen sei?

Dabei gewesen, ohne Spuren zu hinterlassen: Das passt in das Bild, das viele sich vom 51-jährigen CDU-Chef gemacht haben. Seit Dezember 2011 ist er als Innensenator in Berlins rot-schwarzem Senat dabei. Henkel hatte die durch Querelen ausgelaugte CDU geeint und in die Regierung geführt. Aber Klaus Wowereit behandelte ihn wie einen Streckenposten, der das Geschehen begleiten durfte. Wollte Henkel mal zupacken, wurde er ausgebremst, öffentlich. Letztes Jahr plante der Innensenator die Räumung des von Flüchtlingen besetzten Oranienplatzes in Kreuzberg. Wowereit bremste, Henkel musste es erdulden.

Ihm blieb die Rolle des Zuschauers, als die SPD Wowereits Nachfolger suchte. Zwar schnellte die CDU in Umfragen in die Höhe. Henkel half es nichts, er konnte den Partner nicht wechseln, es gab keine andere Option. Michael Müller wurde neuer Regierender Bürgermeister und, ohne dass man recht weiß warum, schnell populär. Es ist, als ob die Berliner CDU im Spinnennetz der SPD zappelt, die seit 26 Jahren an der Regierung beteiligt ist und Berlins Politik im Schlechten wie im Guten dominiert.

Das wollte SPD-Regierungschef Müller ausgiebig demonstrieren, als die Woche weiterging, und inszenierte eine groteske Senatskrise. Wie aus Versehen stand man kurz vorm Bruch. Müller und seine SPD wollten im Bundesrat dem rot-grünen Antrag zur "Ehe für alle", der Gleichberechtigung von homosexuellen Partnerschaften, zustimmen. Henkel lehnte ab. Zu Wowereits Zeiten gab es das schon mal, man notierte die Uneinigkeit, und gut. Müller aber wollte die CDU vorführen als Partei, "die Berlin nicht versteht", keine Großstadtpartei sei. Und Henkel half es erst mal wenig, dass er für den Sommer eine Mitgliederbefragung ankündigte. Das Label der rückständigen CDU saß.

Aber Michael Müller machte weiter. Aus dem Roten Rathaus wurde angedeutet, dass er im Bundesrat für die Homo-Ehe stimmen könnte, gegen Henkels Votum - obwohl das gegen den Koalitionsvertrag verstoßen hätte. Mit einem Mal hatte Henkel die Gelegenheit, Stärke zu zeigen, die sonst auch Parteifreunde vermissten. Er drohte mit dem Ende der Koalition: Müller sollte seine Entschlossenheit nicht unterschätzen. Das Spiel drehte sich. Der Sozialdemokrat lenkte ein und stand als Verlierer da. Auf der Regierungsbank saß nun Müller sichtbar angefasst, abgewandt lachte neben ihm Henkel, ganz gelöst.

Wie gut passte das zum Ende seiner Woche. Auf dem CDU-Parteitag stand Henkels Wiederwahl als Vorsitzender an. Er ließ sich feiern als standhaft und holte zum Gegenschlag aus: Was Müller gemacht habe, das wäre mit Wowereit nie passiert, der sei "professioneller" gewesen. In Sachen Flughafen warf er dem Regierenden Bürgermeister einen Schlingerkurs vor, weil der erst in den Aufsichtsrat ging, dann raus wollte, nun Vorsitzender sein möchte: "Mal rein, mal raus, mal rein, mal raus." Der Angriff ist mehr als Getöse, das Verhältnis der beiden gilt als gestört. Henkel verkündete dann stolz, dass mit ihm als Innensenator mehr Polizei auf Berlins Straßen gekommen sei, "die Gewalt ist auf einem Rekordtief". Er verwies auf gute Popularitätswerte, er steht in Umfragen an zweiter Stelle hinter Müller.

Seine CDU wählte ihn mit 90,9 Prozent der Stimmen, deutlich mehr als vor zwei Jahren. Gut stand er da in diesem Moment. Nur was kann ihm das bringen? Henkel geht davon aus, dass Müller sich nach der Wahl im Herbst 2016 einen anderen Partner sucht - die Linke, wenn es dafür reicht. Er sagt, dass er ins Rote Rathaus will, als Regierender. Aber darüber hören auch seine Parteifreunde hinweg, er hat keinen Partner. Die Grünen wären eine Option. Aber es gibt wenig Gemeinsamkeiten. CDU-Generalsekretär Kai Wegner spekulierte zumindest: "Die Grünen müssen sich überlegen: wollen sie Verantwortung übernehmen oder nicht?"

Vorerst bleiben Müller und Henkel aneinandergekettet. Im Juli will Müller Chef des BER-Aufsichtsrats werden. Auch Henkel soll dabeibleiben, er hätte die Aufgabe wohl gern abgegeben.

© SZ vom 15.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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