Berlin:Lohn des Abstands

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Gesundheitsminister Jens Spahn nahm am Mittwoch noch an der Sitzung des Bundeskabinetts teil - und sprach mit Familienministerin Franziska Giffey. (Foto: Markus Schreiber/dpa)

Die Kabinettsmitglieder wollen sich trotz der Corona-Erkrankung von Minister Jens Spahn weiter treffen.

Von Daniel Brössler und Cerstin Gammelin

Der internationale Konferenzsaal im ersten Obergeschoss des Kanzleramtes ist kein heimeliger Ort, eher das Gegenteil. Wenn in Berlin Weltpolitik gemacht wird, dann gerne hier. Im Januar versammelte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dort Delegationen aus mehr als zehn Ländern, um nach Wegen zum Frieden in Libyen zu suchen. Seit Beginn der Pandemie erfüllt der geräumige Saal eine ganz neue Funktion. Mittwochs, wenn sich die Mitglieder der Bundesregierung zur Kabinettssitzung treffen, bietet er der Kanzlerin und ihren Ministerinnen und Ministern sicheres Obdach. Anders als am üblichen Ort im siebten Stock kann der nötige Abstand hier mühelos eingehalten werden.

Weil das so ist, hat die Nachricht von der Corona-Erkrankung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zwar Erschrecken, aber keinen Schock in der Bundesregierung ausgelöst. Zwar hatte Spahn Stunden vor seinem Positiv-Test an einer Kabinettssitzung teilgenommen, aber eben - darauf wird verwiesen - mit Abstand und unter Einhaltung der Regeln. Genau auf den Fall habe man sich ja vorbereitet: arbeitsfähig zu bleiben, wenn ein infiziertes Mitglied der Bundesregierung an einer Sitzung teilgenommen hat.

Deshalb müssen nun nicht alle Teilnehmer der Kabinettssitzung in Quarantäne. Auch eine Testpflicht für alle Minister besteht nicht. Das sei keine Sonderregelung, betonte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Familienministerin Franziska Giffey (SPD) machte einen Schnelltest, der negativ ausfiel. Sie war am Freitag mit Spahn bei einer Pressekonferenz aufgetreten. Auch Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) ließ sich noch am Mittwochabend testen, der Befund war ebenfalls negativ. Das gilt auch für Innenminister Horst Seehofer (CSU). Bei ihm bestehe derzeit kein Verdacht einer Corona-Infektion, teilte ein Sprecher mit. Nächste Woche soll sich das Kabinett ebenfalls wieder physisch treffen, jedenfalls nach jetzigem Stand.

Mehrere Minister, wie auch Kanzlerin Merkel, haben sich zwar schon wegen des Kontakts zu positiv Getesteten in Quarantäne begeben müssen, Spahn ist nun aber das erste erkrankte Regierungsmitglied. Das habe noch einmal alle Kabinettsmitglieder sensibilisiert dafür, wie groß die Gefahren sein könnten, wenn man sich physisch treffe, hieß es aus Kabinettskreisen. Das und die drastisch steigenden Infektionszahlen verändern noch einmal das Arbeiten in der Bundesregierung. Beamte sollen wieder verstärkt ins Home-Office, Reisen auf das absolut Notwendige beschränkt werden. So schiebt etwa Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) bereits geplante Truppenbesuche auf.

Erheblich sind auch die Konsequenzen für die EU-Ratspräsidentschaft. An diesem Freitag sollen sich die EU-Umweltminister in Luxemburg treffen. Fraglich ist aber, ob weitere Ministertreffen noch physisch stattfinden können. Nun soll wieder öfter virtuell beraten werden. Diplomaten verweisen aber darauf, dass sich nicht alles digital regeln lässt - etwa wenn es um den Brexit geht oder den Haushalt. Sicher ist auch: Wenn die USA am 3. November gewählt haben, werden die EU-Außenminister einiges zu besprechen haben - und zwar ungern per Video.

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